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13. März 2017
Wolfgang Best

Abitur und Gesellenbrief bald in einem?

Der Trend zum Studium ist ungebrochen, auch wenn viele irgendwann feststellen, dass das doch nichts für sie ist. Das geplante Berufsabitur könnte ein Ansatz sein, jungen Menschen beide Karrierewege lange offen zu halten, denn mit dem Abitur könnte man auch eine Prüfung in einem dualen Ausbildungsgang ablegen. Erste ­Modellversuche sollen in diesem Jahr starten.
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Foto: Marco2811/fotolia

Es gibt Abiturienten, die sich nach der Schule für eine handwerkliche Ausbildung entscheiden. Und es gibt Studenten, die von der Universität ins Handwerk wechseln. Dennoch macht es die hohe Studierneigung junger Menschen für Handwerksbetriebe immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs zu finden. Zunehmend wählen auch Schülerinnen und Schüler mit mittlerer Reife den Weg über das Abitur in ein akademisches Studium. Insgesamt ­haben 2014 knapp 435 000 Absolventen die allgemeinbildenden und beruf­lichen Schulen mit einer Hochschulzugangsberechtigung verlassen. Das sind rund 53 Prozent des entsprechenden Altersjahrgangs. Binnen 10 Jahren, von 2005 bis 2014, hat sich der Anteil der Stu­dienanfänger an der alters­spezifischen Bevölkerung sehr stark auf nunmehr 56,4 Prozent erhöht.

Wie kann es da gelingen, das Handwerk für motivierte qualifizierte junge Menschen attraktiver zu machen? Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat im Jahr 2015 die bildungspolitische Initiative „Höhere Berufsbildung“ ins Leben gerufen, um chancenreiche berufliche Bildungs- und Karrierewege im Handwerk aufzuzeigen und weiterzuentwickeln. Das Konzept der „Höheren Berufsbildung“ orientiert sich an den Leitlinien der  Stärkung der Attraktivität der Berufsbildung und Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung.

Eine erste bundesweite Bildungsmarke zur weiteren Stärkung der Attraktivität der Berufsbildung soll der doppelqualifizierende Abschluss „Berufsabitur“ werden. Mit der Verknüpfung von Ge­sellenabschluss und allgemeiner Hochschulzugangsberechtigung sollen leis­tungsstarke Jugendliche für das Handwerk gewonnen werden.

Für die Jugendlichen würde der doppelqualifizierende Bildungsgang viele Vorteile bieten. Sie müssen sich nicht frühzeitig auf einen Bildungsweg festlegen, sondern halten sich alle Möglichkeiten offen. Neben den Hochschulen stehen ihnen nach dem Berufsabitur auch alle Karrieremöglichkeiten im Handwerk offen, wie der Meister oder der Betriebswirt im Handwerk, für die sie durch das Abitur in besonderer Weise qualifiziert wären. Teilnehmende Betriebe haben natürlich keine Garantie, dass der Lehrling als Geselle im Betrieb bleibt. Aber sie haben es einfacher, motivierte Nachwuchskräfte mit begründeter Perspektive im Handwerk zu gewinnen.

Umsetzung wird in Modellversuchen geprüft

Bis das Angebot bundesweit flächendeckend angeboten wird, müssen jedoch noch einige Hürden genommen werden. Es muss ein bundesweites Regelangebot mit verbindlichen Standards gestaltet werden, die in den Bundesländern Anwendung finden. Darüber hinaus muss man sich natürlich am Bedarf der Wirtschaft orientieren und bestehende Lernorte berücksichtigen.

Zunächst soll deshalb ein bundesweit gültiges Modell, konzipiert, erprobt und umgesetzt werden, unter Beteiligung ­aller bildungspolitisch relevanten Ak­teure, wie Wirtschaftsorganisationen, Sozial­partner, Kultusministerkonferenz und Bundesministerien.

Um der länderspezifischen Situation gerecht zu werden, wurden verschiedene Modellvarianten entwickelt, deren Umsetzung von den Akteuren diskutiert wird. Im Modell Duale Fachoberschule wird das Anliegen eines durchgängig dual strukturierten Ausbildungsganges aufgegriffen. Dabei soll die 13. Klassenstufe auf die Ausbildungsjahre drei und vier gestreckt werden. Das Modell Duale Fach­oberschule würde allerdings eine berufsbezogene Klassenbildung erfordern, für deren Einrichtung eine stabile Mindestschülerzahl benötigt wird.

Die Modellvariante „Einmündung in die Berufsoberschule“ wäre demgegenüber berufsübergreifend und damit flexibler zu organisieren. Hier würden die Schüler nach Abschluss der Berufsausbildung, während der durch zusätzlichen Unterricht auch die Fachhochschulreife erworben werden kann, in die Abschluss­klasse der Berufsoberschule wechseln, wo sie die Hochschulreife erwerben könnten.

Die dritte Variante „Integratives Modell am Beruflichen Gymnasium“ verknüpft die duale Berufsausbildung mit der gymnasialen Oberstufe an einem beruflichen Gymnasium. Es wird angestrebt, diese drei Varianten im Schuljahr 2017/2018 auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen. Die Erprobung findet an ausgewählten Schulstandorten und in ausgewählten Berufen statt und soll wichtige Erkenntnisse für eine mögliche Umsetzung in der Fläche liefern.

Artikel aus Orthopädieschuhtechnik 03/2017

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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