Frauen in der OST (3): Handwerk im Blut
- Erstellt: 20. Juni 2018
Von Ulrike Kossessa: Mit 46 Jahren erfüllt sie sich ihren Jugendtraum und wird Orthopädieschuhmacherin: Elisabeth Teneyken erzählt im Interview über Motivation, Hürden und Erfolge.
Die Liebe für das Orthopädieschuhhandwerk war früh geweckt: Bereits als Kind verbrachte Elisabeth Teneyken viel Zeit in der Werkstatt ihres Großvaters. Dessen Kinder gingen andere berufliche Wege, und so war ursprünglich angedacht, dass die Enkelin den Betrieb übernimmt. Doch als der Orthopädieschuhmachermeister verstarb, steckte diese gerade erst mitten im Abitur und so entwickelte sich ihr Weg in eine andere Richtung.
Szenenwechsel: Elisabeth Teneyken ist 40 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Sie arbeitet in Teilzeit als Systementwicklerin für Logistik in einem großen Düsseldorfer Unternehmen. Als sich das dritte Kind ankündigt, beschließt sie, drei Jahre Elternzeit zu nehmen. Die Firma bietet ihr einen attraktiven Auflösungsvertrag an und sie nutzt die Chance, eine Arbeit zu beenden, die zwar gut bezahlt wird, ihr aber nicht mehr wirklich Freude macht. "Der Job an sich war recht stressig, was eine Tätigkeit in Teilzeit oft mit sich bringt, denn das Arbeitsvolumen wird meist nicht halbiert. Hinzu kam die Fahrerei von Mönchengladbach nach Düsseldorf“, erinnert sich Teneyken. Sie bleibt mehrere Jahre zuhause, was auf Dauer aber auch nicht erfüllend ist. Schließlich besinnt sie sich auf ihre Wurzeln und informiert sich beim Arbeitsamt, ob eine Umschulung in einem handwerklichen Beruf unterstützt wird. "Das war ziemlich ernüchternd“, betont Teneyken. "Sie haben als Systementwicklerin eine gute Ausbildung und in diesem Job werden Leute gesucht“, erklärt ihr der Berater, "eine Umschulungsmaßnahme in einen handwerklichen Beruf bezahlen wir daher nicht.“ Das Arbeitsamt bietet Elisabeth Teneyken aber kurzfristig eine geförderte Weiterbildung zur SAP-Beraterin an. Sie geht darauf ein, ist nach sechs Monaten qualifiziert und begibt sich auf Stellensuche in Teilzeit.
Parallel dazu will Elisabeth Teneyken wissen, ob sie überhaupt geeignet ist für das Handwerk und spricht Orthopädieschuhmachermeister Dirk Eskes, den sie als Kundin kennt, auf einen Praktikumsplatz an. "Das fiel mir schon ein bisschen schwer und ich war recht aufgeregt, als ich dort anfing“, meint sie. "Stimmt die Chemie, entspreche ich den Anforderungen, bekomme ich die Arbeit hin, oder bin ich hier fehl am Platz?“ Die Unsicherheit legt sich schnell und in den zwei Wochen sammelt sie viele positive Erfahrungen, hat Freude an der Tätigkeit. Doch mehr oder minder zufällig findet sie nach dem Praktikum einen passenden Job als SAP-Beraterin. Der Wille ist da, das Herz aber schlägt für eine andere Aufgabe. Nach knapp einem Jahr kündigt sie und steht wieder bei Dirk Eskes im Geschäft: "Können Sie sich vorstellen, dass ich eine Ausbildung zur Orthopädieschuhmacherin bei Ihnen anfange?“ Kann er, sehr gut sogar, und damit beginnt 2011 ein neuer Lebensabschnitt für eine 46-jährige Frau, die es ins Handwerk zieht.
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