Biomechanischer Untersuchungsgang für den diabetischen Fuß
- Erstellt: 05. Dezember 2017

Anzeige
Unphysiologische Belastungen sind eine wesentliche Ursache für die Entstehung von Ulcera und Rezidiven am Diabetischen Fuß. Um die individuellen biomechanischen Problemstellungen des Fußes möglichst frühzeitig zu erkennen, empfiehlt es sich, eine Reihe von Untersuchungen regelhaft durchzuführen. Von Dirk Hochlenert, Gerald Engels und Johannes Beike
Menschen mit Diabetischem Fußsyndrom (DFS) leiden an einer Neuropathie, die zu Fehlstellungen und unphysiologischen Belastungen führt und gleichzeitig warnende Schmerzen unterdrückt. So verlaufen die Überlastungen für die Betroffenen zu einem großen Teil unbemerkt. Eine schmerzbedingte Kompensation entfällt ebenfalls. Weitere Schäden sind durch äußere Einflüsse sowie durch verzögerte Reparaturvorgänge bei hohen Blutzuckerwerten, peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) und weiteren Erkrankungen möglich.
Die unphysiologischen plantaren Belastungen sind auch für den überwiegenden Teil der hohen Zahl an Rezidiven verantwortlich. Plantare Ulcera, bei denen die Neuropathie besonders relevant ist, neigen mehr zu Rezidiven als Läsionen außerhalb der belasteten Regionen. Die neuropathiebedingt überhöhte Belastung ist aber auch für sehr lange Verläufe bis zum Wundschluss und auch für Amputationen verantwortlich, da sie das Trauma bei jedem Schritt wiederholt. Dazu trägt bei, dass Betroffene therapeutische Maßnahmen zur Begrenzung der Fehlbelastung nicht selten als sehr behindernd empfinden.
Aus diesen Gründen ist es wesentlich für eine erfolgreiche Behandlung, die Ursachen der Fehlbelastung minutiös und differenziert aufzuspüren. So ist es sinnvoll, eine Abfolge von Standarduntersuchungen einzuhalten, um relevante Störungen auf keinen Fall zu übersehen – die wesentlichen Untersuchungen haben wir im Folgenden aufgeführt. Detailliertere Untersuchungen haben wir nach dem Entitätenkonzept gegliedert, das Läsionen anhand der Lokalisation und dort vorherrschender Fehlbelastung klassifiziert (zum Entitätenkonzept vgl. auch Orthopädieschuhtechnik 11/2015, S. 28ff.). Bei bestimmten Lokalisationen sind jeweils spezifisch weiterführende Untersuchungen notwendig.
Der Standard- Untersuchungsgang 1. Aufrufen des Patienten (stand up and go)
Das Aufrufen des Patienten aus der Wartezone bietet eine später kaum reproduzierbare Gelegenheit, ihn zu beobachten, während er abgelenkt ist und sich nicht auf das Gehen konzentriert.
Aufschlussreich sind dabei folgende Fragen: Wie schnell steht der Patient auf? Wie sicher ist er beim Aufstehen und beim anschließenden Gehen? Dies erlaubt Rückschlüsse auf die allgemeine Mobilität und Sturzgefahr.
Geprüft werden kann dies auch mit dem Time-up-and-go-Test, bei dem der Patient aufsteht, drei Meter geht, sich umdreht, zurückgeht und sich wieder setzt. Ein Wert unter 10 Sekunden gilt dabei als sehr gut, 11-19 Sekunden als noch gut. Das Ergebnis ist auch ein Maß dafür, wieviel Laufleistung zu erwarten ist (Podsiadlo and Richardson 1991). Hier kann beobachtet werden, ob Besonderheiten beim Gang bestehen, wie:
– Ataktischer Gang: Ist der Gang unsicher, kurzschrittig, breitbeinig oder mit weit ausholenden, langen und sicheren Schritten? Ein unsicher gehender Mensch wird eine Schuhversorgung benötigen, die einen stabilen Stand begünstigt.
– Hinken: Ist der Gang unbeeinträchtigt oder liegt eine Asymmetrie der Bewegung vor? Dies kann vielfältige Ursachen haben: psychogenes Hinken, schmerzbedingtes Schonhinken, Verkürzungshinken, Durchblutungsstörungen (Claudicatio intermittens), Lähmungshinken sowie Fehlstellungen in Hüfte, Knie oder Sprunggelenk. Hinken weist oft nicht direkt auf eine Erkrankung hin, ist aber ein Hinweis, dem weiter nachgegangen werden muss.
– Fußwinkel: Setzt der Patient mit leicht außenrotiertem Fuß auf (normal) oder mit stark außenrotiertem oder innenrotiertem Fuß? Der „Fußwinkel“ ist oft mit Funktionsvarianten verbunden. So ist ein weiter Fußwinkel häufig mit einem Plattfuß assoziiert.
– Liegt ein „Steppergang“ vor, wie bei einer Insuffizienz der Fibularismuskulatur (Peronäusparese)?
– Wird fast ausschließlich die Ferse belastet („Hackenläufer")? Dies weist auf eine Schwäche des Zugs an der Achillessehne hin.
– Falls Patienten von Assistenten voruntersucht werden, ist es sinnvoll, wenn unbekannte Auffälligkeiten unspezifisch gekennzeichnet werden können, zum Beispiel als „weitere Anomalie“, wenn der Betroffene aus Sicht des Voruntersuchers „komisch“ läuft.
Angebot auswählen und sofort weiterlesen.