Stellungnahme: Keine Notwendigkeit für den Einsatz externer Gutachter
Mit einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung betreffend Einsatz externer Hilfsmittelberater in der Hilfsmittelversorgung hat sich Prof. Bernhard Greitemann im Namen der DGOU und DGOOC gegen den zusätzlichen Einsatz externer Gutachter ausgesprochen.
Folgende Stellungnahme von Prof. Bernhard Greitemann, 1. Vorsitzender der Vereinigung Technische Orthopädie, die als Sektion sowohl Mitglied der Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) als auch der Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) ist, wurde dem Bundesministerium für Gesundheit Hermann Gröhe mit einem Schreiben vom 18. Juni 2015 übermittelt:
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie zum Gesetzentwurf der Bundesregierung betreffend des Einsatzes externer Hilfsmittelberater in der Hilfsmittelversorgung
Sachlage
Es geht um die im Bundesrat diskutierte Drucksache (641114), in der die Einführung einer gesetzlichen Regelung als Grundlage für externe Hilfsmittelberater in den 139 Abs. 9 und 284a SGB V vorgeschlagen wird. Zielsetzung dieses Papiers war es, externe Berater in der Hilfsmittelversorgung einzusetzen. Diese sollten die Krankenkassen bei medizinisch notwendigen und komplexen Hilfsmittelversorgungen beratend unterstützen, um eine für deren individuelle alltagsrelevante Situation zweckmäßige und bedarfsgerechte Versorgung zu erzielen. Zusätzlich sollten sie alternative Versorgungsmöglichkeiten ermitteln und empfehlen, insbesondere dann, wenn das beantragte Hilfsmittel ungeeignet oder langfristig unwirtschaftlich sei. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie sieht eindeutig keine Notwendigkeit für den Einsatz externer Berater in der Hilfsmittelversorgung.
Derzeit ist es so, dass Ärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie über lange Zeit schon die Versorgung von behinderten Patienten fachkundig begleiten. Die Ausbildungsordnung der Ärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie beinhaltet als eine der wenigen Facharztgruppen auch eine detaillierte Aus-, Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der sogenannten Technischen Orthopädie, d. h. der Unterstützung von behinderten Patienten durch Hilfsmittel. In dieser Hinsicht bestehen enge Kooperationen, u. a. zum Gebiet der Ergotherapie, aber auch zu den orthopädietechnischen Fachverbänden und der Orthopädie-Schuhtechnik.
Die Sektion „Technische Orthopädie und Orthopädie-Schuhtechnik“ (Vereinigung Technische Orthopädie) der DGOOC und DGOU beschäftigt sich eingehend mit der wissenschaftlichen Evaluation von Hilfsmittelversorgungen, aber auch der kontinuierlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung von Facharztkollegen auf diesem Gebiet. Mit den zertifizierten Kursteilnehmern der Kurse der Technischen Orthopädie besteht ein kompetentes Netzwerk für Beurteilungen schwierigerer Versorgungsfälle.
Ärztliche Verordnungen orientieren sich an Funktionsstörung der betroffenen Patienten und versuchen, diese zu kompensieren. Es ist daher unabdingbar, dass der verordnende Arzt, der sich im Rahmen einer eingehenden Untersuchung und Kenntnis des Behandlungsfalles entsprechende Gedanken über die Funktionsdefizitkompensation gemacht hat, auch im Prozess engmaschig eingeschaltet bleibt und diesen federführend steuert.
Zudem besteht seit Jahren die unabhängige Begutachtungsinstanz des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen, die sich ebenfalls im Rahmen von Fort- und Weiterbildungskursen über die Jahre entsprechende Spezialisten für die Hilfsmittelversorgung herangezogen haben. Es ist in dieser Hinsicht nicht einsehbar, warum zusätzlich nun eine weitere Instanz von externen Fachberatern hin-zugezogen werden sollen. Folgende Punkte sind aus unserer Sicht besonders kritikwürdig:
1. Die nachträgliche Einschaltung externer Fachberater, die zusätzlich Hilfsmittelverordnungen speziell unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und weniger unter dem Aspekt der Funktionsorientierung beurteilen sollen, konterkariert die Versorgung und greift massiv in die ärztliche Verordnungsfreiheit ein.
2. Es besteht bereits eine fachlich gut ausgebildete ärztliche Verordnerkompetenz.
3. Als zusätzliches Begutachtungsinstrument steht der MDK zur Verfügung, der als unabhängige Institution sicherlich dafür besser geeignet ist, als eine von den Krankenkassen angestellte und finanzierte (und damit ggf. besonderen Einflüssen ausgesetzte) zusätzliche neue Instanz.
4. Die Qualifikation derartiger externer Berater ist nirgendwo definiert. Hier bestehen erhebliche Bedenken im Hinblick auf die ausreichende fachliche Qualifikation.
Zusammenfassend sieht die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, die DGOOC, und die Vereinigung Technische Orthopädie keinerlei Notwendigkeit für den zusätzlichen Einsatz externer Gutachter.