ZVOS kritisiert: AOK Sachsen-Anhalt schreibt Einlagenversorgung aus
Die AOK Sachsen-Anhalt hat angekündigt, die Versorgung ihrer Versicherten mit Einlagen (PG 08) ab dem 1. Oktober 2016 auszuschreiben. Damit wird erstmals ein handwerklich individuell gefertigtes Hilfsmittel durch eine gesetzliche Krankenversicherung ausgeschrieben. Der Zentralverband für Orthopädieschuhtechnik (ZVOS) und der BIV-OT beziehen dagegen vehement Stellung.
Die Ausschreibung der AOK Sachsen-Anhalt erfolgt in drei Gebietslosen, die die drei Städte Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau betreffen. Nach dem Ausschreibungsvertrag müsste der Ausschreibungsgewinner in jedem Regionallos mindestens eine abgabeberechtigte zentrumsnahe Filiale betreiben. Das Kriterium für die Zuschlagserteilung ist der Preis.
Oliver Dieckmann, Hauptgeschäftsführer des ZVOS, protestiert: „Einlagen sind individuell gefertigte Produkte, die nicht-standardisiert und mit einem hohen Dienstleistungsanteil abgegeben werden. Dazu ist eine hohe handwerkliche Kompetenz erforderlich. Eine Ausschreibung zollt dem keine Beachtung. Eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Versorgung funktioniert nur, wenn die individuelle, handwerkliche Leistung, die direkt am Patienten ausgeführt werden muss, durch eine Vielzahl kompetenter Betriebe möglich ist.
Die durch die AOK Sachsen-Anhalt erfolgte Ausschreibung eines individuell gefertigten Hilfsmittels widerspreche im Übrigen den Gemeinsamen Empfehlungen zur Zweckmäßigkeit von Ausschreibungen aus dem Jahr 2009, die der GKV-Spitzenverband gemeinsam mit den Spitzenorganisationen und Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene vereinbart hatte.
Der ZVOS setzt sich aktiv gegen die angekündigte Ausschreibung ein, zunächst in der Kommunikation mit dem GKV-Spitzenverband. Wichtigster Adressat sei jedoch die Politik, die über verschiedene Gesundheitspolitiker erreicht werden soll. Aktionen werden gemeinsam mit anderen Verbänden aus dem Gesundheitshandwerk erfolgen, teilt der ZVOS mit.
BIV-OT informiert Politiker
Auch der BIV-OT hat sich mit Entschiedenheit gegen Ausschreibung der AOK Sachsen-Anhalt ausgesprochen. Sie verstoße gegen Grundsätze der Hilfsmittelversorgung. „Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik lehnt derartige Ausschreibungen im Bereich der handwerklich individuellen Fertigung von Hilfsmitteln ab“, heißt es in einem Schreiben, das der BIV am 20. Mai sowohl dem Bundesministerium für Gesundheit, als auch Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Bundestages und dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung zugeleitet hat.
Der BIV-OT macht darin deutlich, dass die AOK Sachsen-Anhalt mit der Ausschreibung von Einlagen gegen gleich mehrere Grundsätze bei der Hilfsmittelversorgung verstößt. So sollen nach den gemeinsamen Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes und der Spitzenorganisationen der Leistungserbringer individuell gefertigte Hilfsmittel wegen Unzweckmäßigkeit gerade nicht ausgeschrieben werden. Ausschreibungen behinderten die Wahlfreiheit der Patienten und damit ein bei individuell gefertigten Hilfsmitteln erforderliches Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Versorger. Auch das Abstellen auf den Preis als Zuschlagskriterium sei bei handwerklicher Fertigung unzweckmäßig.
Weiter würden die Patientenrechte massiv beeinträchtigt, weil große Wegdistanzen zu den Ausschreibungsgewinnern absehbar seien. Hinzu komme, dass bei Einlagen Festbeträge bestehen. Ausschreibungen mit dem Ziel, Festbeträge zu unterschreiten, sind nach Ansicht des BIV aber nicht zulässig. Weil eine Ausschreibung im Bereich Einlagen für die Kasse auch wirtschaftlich unnötig sei – die Rede ist von 5.500 Versorgungsfällen –, befürchtet der BIV-OT vielmehr ein „Pilotprojekt“, das als Muster für künftige Ausschreibungen bei handwerklich gefertigten Hilfsmitteln dienen soll.
Rechtliche Prüfungen und Schritte werden von vielen Verbänden derzeit eingeleitet, teilen der BIV-OT, die OT-Landesinnung Sachsen-Anhalt und der ZVOS mit. Auch Patienten, Behinderte und ihre Vertretungen sollten gegen die Ausschreibung von Einlagen aufbegehren, rät der ZVOS. Eine fachgerechte Versorgung von Patienten scheide ansonsten für die Zukunft aus.
Ein ausführlicher Bericht erscheint in der Juli/August-Ausgabe der „Orthopädieschuhtechnik“.