09. November 2016

Neues Behandlungskonzept für den Diabetischen Fuß in der Diskussion

Wenn man Wunden am Diabetischen Fuß nachhaltig behandeln möchte, dann ist es entscheidend, die biomechanischen Ursachen für ihre Entstehung zu erkennen – und mitzubehandeln. Aufbauend auf dieser Erkenntnis entwickelten Dr. Dirk Hochlenert und Dr. Gerald Engels zusammen mit Dr. Stephan Morbach und OSM Peter Brümmer das so genannte „Entitätenkonzept“. Am 5. November diskutierten Dr. Engels und Dr. Hochlenert es auf einem Symposium der Zeitschrift „Orthopädieschuhtechnik“ in Köln erstmals mit ausgewiesenen Experten der orthopädieschuhtechnischen Diabetes-Versorgung: mit OSM Jürgen Stumpf und OSM Herbert Türk.

Es war ein besonderes Veranstaltungsformat, das Annette Switala und Wolfgang Best, Redaktion Orthopädieschuhtechnik, für die Vorstellung des Entitätenkonzepts gewählt hatten:  Durchgehend waren die vier Referenten auf dem Podium und diskutierten vor und mit dem Publikum orthopädieschuhtechnische und chirurgische Behandlungsmöglichkeiten für unterschiedliche Gegebenheiten am Diabetischen Fuß. OSM Jürgen Stumpf und OSM Herbert Türk hatten für das Symposium Pionierarbeit geleistet, indem sie das Entitätenkonzept von Dr. Hochlenert und Dr. Engels für die Orthopädieschuhtechnik genauer durchdacht und weiterentwickelt hatten.

Wie Dr. Engels und Dr. Hochlenert mit ihren Kooperationspartnern festgestellt haben, sind Wunden am Fuß nicht einfach eine Folge des Diabetes, die man hinnehmen muss. Anhand der Daten, die sie in ihren Fußnetzwerken über viele Jahre sammelten, filterten sie vielmehr heraus, dass es immer ganz bestimmte, prominente Stellen am Fuß sind, an denen diese Wunden auftreten. Diese begrenzte Anzahl an Wunden an ganz bestimmten Stellen am Fuß sind für sie die „Entitäten“. Dass diese Wunden nur an bestimmten Stellen am Fuß auftreten, hat biomechanische Ursachen, sind Engels und Hochlenert überzeugt. Versteht man die jeweiligen Ursachen, dann lässt sich besser entscheiden, welche orthopädieschuh­technischen und chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten am erfolgversprechendsten sind.

Die acht häufigsten Entitäten, mit denen die Orthopädieschuhtechnik zu tun hat, waren es, die in dieser Veranstaltung interdisziplinär diskutiert wurden. Ob Läsionen unter verschiedenen Metatarsaleköpfen, unter den Zehenkuppen, ob Torsionsläsionen der Großzehe oder lateroplantare Läsionen an MTK 5 beim Hohlfuß: Zu allen Entitäten erläuterten Dr. Dirk Hochlenert und OSM Jürgen Stumpf die biomechanischen Hintergründe, bevor es dann an die orthopädieschuh­technischen und chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten ging.

OSM Jürgen Stumpf spielte auf der gesamten Klaviatur der orthopädieschuh­technischen Versorgungsmöglichkeiten, die OSM Herbert Türk mit praktischen Versorgungsbeispielen würzte. Türk machte zudem deutlich, welches Verständnis der diabetesadaptierten Fußbettung zugrundegelegt werden sollte, wenn es gilt, den Fuß zu entlasten. So habe die DAF im Laufe der Zeit einen Paradigmenwechsel erlebt, indem man dazu übergegangen sei, nicht mehr nur „alles weich“ und in Sandwich-Bauweise ohne Stufen und Pelotten zu fertigen, sondern auch Entlastungselemente in die DAF einzubauen, die gezielt Druck auf belastbare Areale des Fußes umverteilen. Welche Entlastungselemente jeweils hilfreich sind, stellten beide OSM für die acht vorgestellten Entitäten dezidiert vor und ergänzten sie um die jeweils geeigneten Schuhzurichtungen.

Dr. Gerald Engels begeisterte das Publikum mit ebenso verständlichen wie humorvollen Ausführunge über die operativen Möglichkeiten und machte deutlich, dass einige Entitäten, etwa Läsionen an den Zehenkuppen bei Hammer- und Krallenzehen, leichter operativ als orthopädieschuhtechnisch behandelt werden können - und dass zumindest in jedem Fall operative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wenn die Orthopädieschuhtechnik an ihre Grenzen stößt. Der Experte für Wund­chirurgie am Diabetischen Fuß zeigte auf, dass in vielen Fällen keine aufwändige Knochenchirurgie nötig ist, um eine innere Entlastung des Fußes zu bewirken. Seine Spezialität sind feine Eingriffe an den Weichteilen, etwas Sehnendurch­trennungen, die den Patienten nicht strapazieren, aber sehr vorteilhafte Veränderungen in der Biomechanik des Fußes bewirken können - eine selten gelebte Praxis, die die fußerhaltende Chirurgie am Diabetischen Fuß voranzubringen verspricht.

Die Veranstaltung bot zahlreiche Diskussionsmöglichkeiten für die Teilnehmer, die auch im Sinne einer Vernetzung genutzt werden konnten. „Das beste Seminar, das ich je besucht habe“, „Weiter so“, „sehr infomativ“, „Super Symposium - aus der Praxis für die Praxis“ lauteten die positiven Rückmeldungen der Teilnehmer; es bestand jedoch auch der Wunsch, dieses Konzept künftig auch mit Kostenträgern und Schuhherstellern zu diskutieren.

Die Veranstaltung wird am 25. März 2017 in Berlin wiederholt.

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