Zukunftstage ZVOS: Nachwuchs und externe Fertigung in der Diskussion

Wie bekommen wir motivierten Nachwuchs? Wie verändern neue Fertigungsverfahren das Handwerk? Und wie gewinnen und halten wir Kunden für unsere Geschäfte? Diese Themen standen im Mittelpunkt der 3. Zukunftstage des Zentralverbandes Orthopädieschuhtechnik am 1. und 2. Dezember im Haus des Handwerks in Berlin.
„Es reicht nicht, die Kunden zufrieden zu stellen. Das ist die Note 3-4“, sagt Hans Georg Pompe. „Sie müssen die Leute begeistern“, meinte der Trainer und Buchautor, in seinem Vortrag über das „Gold von Morgen“. Wie man die Generation 50+ gewinnt, war sein Thema, doch vieles, was er über den richtigen Umgang mit den neuen Senioren verriet, lässt sich ohne weiteres aus den Umgang mit allen Kunden übertragen. „Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Atmosphäre“, nannte Pompe als Schlüsselbegriffe dieser anspruchsvollen und zahlungskräftigen Kundengruppe. „Die schauen genau hin“, erklärte er, „und überlegen sich genau, wem sie ihr Geld anvertrauen“. Die Servicequalität sei wichtiger als der Preis, deshalb müsse man versuchen, Beziehungen zu den Kunden aufzubauen. Pompe selbst gab hierzu viele Anregungen. Horst Wenzel, Flirtcoach aus Köln, zeigte am nächsten Tag, mit welcher Einstellung und welcher Strategie es gelingt, mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen. In seiner Praxis lehrt er vor allem, wie Männer Frauen – oder umgekehrt – ansprechen können. Im Handel, so seine Überzeugung, ist das nicht viel anders, denn auch hier sorge oft die Angst vor einer Zurückweisung dafür, dass man offensiv ins Verkaufsgespräch geht.
OSM Axel Merz, selbst langjähriger Ausdauersportler und Trainer, führte die Teilnehmer in sein Konzept der Sportlerversorgung ein, die er seit Jahren mit Erfolg anbietet. Für Merz sind die individuelle Ursachenanalyse – sei es das Training oder der Schuh – die Grundlage für eine gute Beratung und Versorgung.
Nachwuchs schätzt die handwerkliche Arbeit
Mit Ulrike Kamphausen, Lena Frey, Anastasia Anastasiadou, Benjamin Mell und Damiano Schilardi waren fünf Nachwuchskräfte zu Gast bei den Zukunftstagen, die schon für Werbeaktionen des ZDH und des ZVOS in Aktion waren oder Preise bei Wettbewerben gewonnen hatten. Sie berichteten in einer von OST-Chefredakteur Wolfgang Best geleiteten Podiumsdiskussion von Ihren Erfahrungen in der Ausbildung und davon, was den Beruf für sie ausmacht. Wer glaubte, die Jugend stehe vor allem auf Technik, sah sich getäuscht. Alle betonten, dass die handwerkliche Arbeit für sie ein wesentlicher Teil ihres Berufes ist, den sie nicht missen möchten. Für eine gute Ausbildung halten sie für wesentlich, dass man als Lehrling Gelegenheit hat, vieles auszuprobieren, etwas selber zu machen, auch wenn es mal schief geht und die Gelegenheit bekommt, über den Tellerrand des eigenen Betriebes zu blicken.
Wer hier genau zuhörte, konnte viele Anregungen mitnehmen, wie eine Ausbildung in der Orthopädieschuhtechnik gelingt und der Nachwuchs für den Beruf begeistert werden kann. Dass es künftig noch schwerer wird, qualifizierte Nachwuchskräfte zu gewinnen, hatte schon Dr. Iris Pfeiffer, Referatsleiterin für berufliche Bildung beim ZDH eindrücklich erläutert. „Wir qualifizieren in die falsche Richtung“, sagte sie. Während der beruflichen Bildung der Nachwuchs wegbricht, steigt die Zahl der Akademiker weiter, obwohl, so Dr. Pfeiffer, die Fakten für die berufliche Bildung sprechen. Spaß am Beruf, einen sicheren Arbeitsplatz und gute Verdienstmöglichkeiten, seien im Handwerk eher zu finden als in vielen akademischen Berufen. Auf den Trend, dass immer mehr Schüler Abitur machen, reagiert der ZDH mit Kampagnen, die vor allem diese Zielgruppe für das Handwerk begeistern will. Auch die Flüchtlinge sind mittelfristig ein Gruppe für den handwerklichen Nachwuchs, erklärte Dr. Jan Dannenbring, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt beim ZDH. Allerdings gebe es hier noch viele Hürden zu nehmen. Neben den Sprachkenntnissen gelte es, die jungen Flüchtlinge von den guten Perspektiven im Handwerk zu überzeugen. In vielen Herkunftsländern sei der Stellenwert des Handwerks nämlich sehr gering.
Wolfgang Best, Ulrike Kamphausen, Anton Bittler und Thomas Suhr bei der Diskussion über Fremd- oder Eigenfertigung.
Fremd- oder Eigenfertigung
Der Nachwuchsmangel hat schon Spuren im Handwerk hinterlassen. War es früher selbstverständlich, alles in der eigenen Werkstatt zu fertigen, hat der Mangel an Fachkräften in vielen Betrieben dazu geführt, dass manche Aufträge zur Fertigung auch außer Haus gegeben werden oder moderne Technologien zur Fertigung eingesetzt werden, wie zum Beispiel Einlagenfräsen. Wie wird diese Entwicklung das Handwerk verändern?
OSM Thomas Suhr sieht durchaus die Gefahren, dass man sich von externen Partnern abhängig macht und womöglich auch Kompetenz im Betrieb verloren geht wenn man Aufträge nach außen gibt. In seinem Vortrag über Fremd- oder Eigenfertigung machte er aber deutlich, dass er als Betriebsinhaber nicht immer die Wahl hat, alles selber zu fertigen. Er könne nicht auf Umsatz verzichten, nur weil Fachkräfte fehlen. Suhr sieht sich immer noch in erster Linie als Handwerker und bildet auch aus, doch oft gelinge es nicht, die ausgebildeten Kräfte zu halten. Vor allem, wenn es um die Bewältigung von Produktionsspitzen geht, lohnt sich die Fremdfertigung für einen Betrieb, rechnete Betriebsberater Anton Bittler vor. Dann müsse man weniger Personal vorhalten und könne effektiver arbeiten. Ein überzeugendes Plädoyer für die handwerkliche Arbeit hielt OSM Ulrike Kamphausen. Die individuelle Versorgung und der Umgang mit den Patienten sind für sie die Grundlagen des Erfolgs. „Das Wichtigste ist die Verbindung zum Kunden“, erklärte sie. Und die baue man am besten auf, wenn man sich für den Kunden Zeit nimmt und ihn gut berät.
Die Tatsache, dass sich der anschließenden Podiumsdiskussion sehr viele der etwa 80 Teilnehmer beteiligten, zeigte, dass das Thema Nachwuchs und die Zukunft der Fertigung im Handwerk viele Betriebe umtreibt. Sehr engagiert und dennoch sachlich wurde das Für und Wider der neuen Möglichkeiten der Produktion diskutiert. Geht es letztlich nur um die gute Lösung für den Kunden, egal wie das Hilfsmittel hergestellt wird, oder geht etwas wesentliches im Handwerk verloren, wenn das Handwerk in den Werkstätten selbst nicht mehr mit allen Arbeitsschritten gepflegt wird? Eine endgültige Antwort darauf konnte es an diesem Tag nicht geben. Die Frage, wie weit man neue Techniken einsetzen kann, ohne das Handwerk zu vernachlässigen oder aufzugeben, wir die Branche noch die nächsten Jahre beschäftigen.
Zum Abschluss der Zukunftstage brachte Divo G. Müller die Teilnehmer in Bewegung. Nach einem Vortrag über Funktion und Training des Fasziensystems durfte, wer wollte, praktisch erleben, wie sich mit einfachen Übungen, die Faszien lockern und trainieren lassen.