12. April 2017

100 Jahre Orthopädieschuhtechnik: Jubiläumsfeier in Leipzig

Foto: ZVOS

Am 8. April 2017 – genau 100 Jahre nach seiner Gründung als Berufsverband – hat der Zentralverband Orthopädieschuhtechnik dieses Jubiläum im Thüringer Hof in der Leipziger Altstadt gefeiert. Rund 90 Ehrengäste aus Handwerk, Medizin, Politik und Industrie waren zum Feiern in die Messemetropole gekommen.

"1917 – Die Welt, Europa, Deutschland, Leipzig – und wir“ - mit einem Blick auf das Gründungsjahr eröffnete ZVOS-Präsident Werner Dierolf den Festabend. „Sie befinden sich auf historischen Boden“, so Dierolf. Denn genau hier im Thüringer Hof wurde vor einem Jahrhundert der „Bund Orthopädischer Schuhmacher“ gegründet. Die Versorgung von Kriegsversehrten war damals vor 100 Jahren die Hauptaufgabe des „neuen“ Handwerks. Mittlerweile steht die Mobilität des Menschen im Mittelpunkt: „Wir halten Menschen mobil und gestatten ihnen damit ein selbstbestimmtes Leben“, so Dierolf. „Leider“, so der ZVOS-Präsident, sei es erschreckend, dass angesichts der aktuellen Weltlage die Orthopädieschuhtechnik wieder Opfer von Krieg und langer Flucht versorgen muss.

ZVOS-Präsident Werner Dierolf war es vorbehalten, die Jubiläumstorte anzuschneiden.

Ein Blick in die Verbandsgeschichte
Wie war es denn damals? Ganz genau wusste es der Schirmherr der Veranstaltung, Ehrenbundesinnungsmeister Albrecht Breymann. Gründungsort des „Bundes orthopädischer Schuhmachermeister“ war am 8. April ein Vereinshaus in der Leipziger Schlossgasse 10. Allerdings fand die erste konstituierende Sitzung am 6. Mai 1917 im Thüringer Hof statt, wo weitere Beschlüsse wie über Mitgliedsbeitrag sowie Satzung gefasst und ein Vorstand gewählt wurde. Breymann branchte den Gästen  die beeindruckende Entwicklung und wichtige Persönlichkeiten aus 100 Jahre Verbands- und Handwerksgeschichte mit vielen Bildern und Anekdoten nahe. In einem launigen Frage- und Antwortspiel warf er den Ball oft in die Zuhörerschaft. Die Frage „Wer war denn das?“ wurde gerne aufgenommen und viele Abgebildete – gerade von den älteren Kollegen – erkannt. Und dass sich der eine oder andere der Anwesenden mit seinem Jugendkonterfei konfrontiert sah, tat der Stimmung keinen Abbruch – im Gegenteil.

Grüße von Freunden
IVO-Präsident Serge Mathis, Frankreich, war es vorbehalten die Grüße der Mitgliedsländer des Internationalen Verbandes der Orthopädieschuhtechniker zu überbringen. Grenzüberschreitend Fachkontakte auf dem Gebiet der Orthopädieschuhtechnik zu knüpfen und zu vertiefen, sei eines der Ziele des IVO. Die deutsche Orthopädieschuhtechnik habe schon früh ihren Teil dazu beigetragen und ihr Fachwissen gerne in andere Länder weitergegeben.

Siegfried Stinus

Der ehemalige IVO-Präsidenten Siegfried Stinus überbrachte die Grüße und Glückwünsche des Beratungsausschusses der DGOOC für das Orthopädieschuhmacherhandwerk. In seinem Grußwort nahm er Bezug auf OSM Max Sahm aus Frankfurt, der 1951 die Gründungsphase des damals sogenannten „Beratungsausschuss der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie (DGO)“ so beschrieb: „Kein Fachgebiet der Medizin benötigt so dringend die helfende Unterstützung durch hervorragend ausgebildete Handwerk und Hilfsberufe wie gerade die Orthopädie…. Der orthopädische Schuh ist eines der wichtigsten Behandlungsmittel in der Hand des Facharztes.“ Dieses Urteil gelte immer noch: „Wir können uns in Deutschland überaus glücklich schätzen, dass es diese handwerklichen Fertigkeiten in der Versorgung in der Orthopädie gibt, die hiesige Tradition ist in Europa einzigartig und bereichert entscheidend die Versorgungsmöglichkeiten. Dies ist ein Schatz, den es zu erhalten gilt!“.

„Viel, viel Erfolg für ihre wunderbare Arbeit und für die Zukunft“, wünschte Prof. Hans-Henning Wetz, ehemaliger Direktor der Klinik für Technische Orthopädie Universitätsklinikum Münster. Er vermittelte zum Abschluss einen intensiven Einblick in die Geschichte der Technischen Orthopädie, aber auch der Orthopädieschuhtechnik – mit Schwerpunkt auf Einlagenversorgung. Für beide Berufe gelte das Ziel, den Patienten wieder auf die Füße zu bringen und ihn Mobilität zu geben, so Wetz. Doch er sah dafür auch Gefahren am Horizont: Sinkendes Knowhow bei den Kostenträgern und in der Medizin sowie der Wegfall einer bundeseinheitliche Prüfstelle stellen eine kompetente Kontrolle von orthopädischen Hilfsmitteln infrage.

Eingebunden in die Zeit
100 Jahre Orthopädieschuhmacher-Handwerk bedeutet auch 100 Jahre Handwerksgeschichte, zeigte Frank Tollert, Vizepräsident der Handwerkskammer Leipzig. Am 6. August 1897 erließ Kaiser Wilhelm II. das Gesetz „betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung“. Damit trat erstmals eine deutsche „Handwerksordnung“ in Kraft. Sicherten früher die Zünfte einen hohen Qualitätsstandard ihres Gewerks und dass es zur Ausbildung eines Handwerkers eines Meisterbriefs bedurfte, so übernahmen nun die Handwerkskammern und Innungen diese Funktion. Diese Ordnung hat im Wesentlichen bis heute Bestand. „Das Handwerk hat hohe Standards, liefert hohe Qualität und stellt sich permanent neuen Herausforderungen“, so Tollert. Allerdings müsse die Politik auch die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen, so seine Forderung.

„Geklönt“ wurde auch
Die Festveranstaltung gestattete aber auch Raum für persönliche Begegnungen und Gespräche. „Weiß du noch damals“ war eine oft gehörte Redewendung: Denn viele „Ehemalige“ hatten ihren wohlverdienten (Un-)Ruhestand unterbrochen, den Weg nach Leipzig auf sich genommen und nutzen natürlich die Gelegenheit, um mit Kollegen die eine oder andere Geschichte und Anekdote aus der Verbands- und Berufsgeschichte aufzufrischen.  

Ein unterhaltsames Begleitprogramm mit dem A-cappella-Chor Quintese, die unter anderem das Lied „Die Schuhe" von Reinhard Mey vortrugen sowie Pantomime Martin Kiefer, der mit seinem poetischen Schmunzelprogramm mal ganz anders auf die Orthopädieschuhtechnik schaute, rundete den Festabend gelungen ab.

© tom/orthopädieschuhtechnik.de