Eurocom fordert klare Verfahrensordnung zur Weiterentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses
Das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) ist mit der Verkündigung im Bundesgesetzblatt am 10. April 2017 überwiegend in Kraft getreten. Nun geht es an die Umsetzung. Der Industrieverband Eurocom fordert Verbindlichkeit und Rechtsklarheit der Verfahrensordnung zur Weiterentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses und die frühzeitige Einbindung der Hilfsmittelhersteller.
Der GKV-Spitzenverband ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung zur Weiterentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses zu beschließen. „Dass die maßgeblichen Verbände der Hilfsmittelhersteller in diesen Prozess eingebunden werden und damit eine unserer zentralen Forderungen umgesetzt worden ist, ist ein echter Fortschritt. Denn erst die Einbindung der Hersteller in diesen Prozess ermöglicht es, dass aktuelle technologische Entwicklungen sowie das entsprechende Know-how im Hilfsmittelverzeichnis berücksichtigt werden“, so Pohlen. „Zudem muss eine solche Verfahrensordnung sicherstellen, dass innovative Produkte künftig zeitnah Eingang in das Hilfsmittelverzeichnis finden. Grundlegend dafür sind klare Rahmenbedingungen eines Stellungnahme-Verfahrens, das seinen Namen auch verdient.“
Beschleunigung des Antragsverfahrens dringend erforderlich
Der gesetzliche Auftrag zur fortlaufenden Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses schaffe zwar die allgemeine Voraussetzung für Aktualität, schließe aber lange Wartezeiten für die Aufnahme eines neuen Hilfsmittels nicht grundsätzlich aus. Eine Innovationsbremse etwa stelle das Erfordernis dar, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bei der Bewertung von Hilfsmitteln im Rahmen neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einzuschalten.Dass die Auskunft des G-BA an eine Frist gebunden wird, sei zwar ein guter Ansatz, so Pohlen. Um unnötige Verzögerungen zu vermeiden, sei es jedoch wichtig, dass die Definition neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden integraler Bestandteil der Verfahrensordnung sei.
Im Falle einer Nichtaufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis wäre aus Sicht von Eurocom die Einrichtung einer Schiedsstelle eine Lösung im Sinne der zeitgemäßen Patientenversorgung gewesen. "Leider ist der Gesetzgeber diesem Vorschlag nicht gefolgt. Die Folge ist, dass Hilfsmittelherstellern bei einem abschlägigen Aufnahmeantrag nur der Gang zum Sozialgericht bleibt – und die Listung eines innovativen Hilfsmittels sich über Jahre verzögern kann", so die Eurocom.
Rundumnachweise bei Mehrfachindikationen behindern bessere Patientenversorgung
Bedenklich seien die Passagen des HHVG, denenzufolge Hersteller künftig Wirkungsnachweise für sämtliche Indikationen, für die ein Hilfsmittel eingesetzt werden kann, vorlegen müssen. „Diese Regelung geht an der Praxis vorbei. Sie ist schlichtweg nicht umsetzbar, allein schon aufgrund der Schwierigkeit, genügend Patienten für entsprechende Studien zu bekommen und diese mit Kliniken durchführen zu können“, so Pohlen. Dazu liefert die Eurocom zwei Beispiele: Für die Anmeldung einer Knieorthese mit insgesamt 13 gelisteten Indikationen in der entsprechenden Produktart würde die Regelung bedeuten, dass nur für dieses eine Produkt rund 130 Patienten für insgesamt 13 Anwendungsbeobachtungen bzw. klinische Bewertungen zur Verfügung stehen müssen. Vor dem Hintergrund, dass in dieser Produktart bislang 64 Orthesen gelistet sind, erhöht sich die Anzahl der zu rekrutierenden Patienten insgesamt auf rund 8.400. Das sind angesichts einer Verordnungszahl von ca. 80.000 funktionellen Knieorthesen deutschlandweit pro Jahr 10 Prozent der Patienten, die dann in entsprechende Anwendungsbeobachtungen einbezogen werden müssten.
Für den Einlagenbereich würde diese Regelung bedeuten, dass für den Bereich der Sondereinlagen keine ausreichende Anzahl indikationsbezogener Anwendungsbeobachtungen durchgeführt werden könnte. Der Innovationsfortschritt im Einlagenbereich würde damit grundsätzlich blockiert, so die Eurocom.
Da einzelne Indikationen zudem in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten, werde die Rekrutierung insbesondere für weniger häufig auftretende Indikationen erschwert. „Das birgt das Risiko, dass bestimmte Indikationen nicht mehr mit Hilfsmitteln abgedeckt werden könnten. Die Zielsetzung des Gesetzes, eine bessere Patientenversorgung zu ermöglichen, wird damit ad absurdum geführt“, bilanziert Pohlen.