DGIHV: Qualitätsstandards müssen von Fachleuten bestimmt werden
Der Ansprechpartner für alle medizinischen und technischen Fragestellungen in der Technischen Orthopädie und der Hilfsmittelversorgung der Patienten will die „Deutsche Gesellschaft für Interprofessionelle Hilfsmittelversorgung“ (DGIHV) sein. Am 14. September 2017 traf sie sich im Haus des Handwerks in Berlin zur 1. Fachtagung und Mitgliederversammlung.
Das ‘I’ ist das Wichtige im Namen“, betonte Prof. Volker Bühren gleich zu Beginn der Veranstaltung. Der Begriff "interprofessionell" zeige, wie breit das Feld ist, das dieser noch junge Verein abdecken will, erklärte Bühren, der Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der DGIHV ist.
„Die vielen Anmeldungen zu unserer Veranstaltung sind ein positives Zeichen“, sagte Prof. Bernhard Greitemann, zweiter Vorsitzender des Vereins. Das Thema interprofessionelle Hilfsmittelversorgung stoße nicht nur bei den direkt damit Befasssten auf Interesse. Er berichtete, dass es bei den Facharztkollegen eine große Nachfrage an Ansprechpartnern aus Technischen Orthopädie gebe.
Als das Erwachsenwerden einer Idee bezeichnete Klaus Lotz, 1. Vorsitzender und Präsident des Bundesinnungsverbandes Orthopädietechnik, den Verein, der im Januar 2017 als Nachfolger des 2014 ins Leben gerufenen Fachbeirates Technische Orthopädie gegründet wurde. Auch dieser hatte sich schon auf die Fahnen geschrieben, nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den Berufen und Disziplinen zu verbessern, sondern Standards für die Versorgung zu entwickeln. Mit dem neuen Verein soll nun eine neutrale Plattform geschaffen werden, auf der Versorgungsstandards und Versorgungspfade für die Hilfsmittelversorgung geschaffen werden können, die auch ihren Weg ins Hilfsmittelverzeichnis und in die Krankenkassenverträge finden. „Wie lange lassen wir es noch zu, dass Nicht-Fachleute darüber bestimmen, wie wir als Fachleute zu arbeiten haben?“ fragte Lotz. Die Zielrichtung des Vereins ist deshalb auch, sich auf politischer Ebene in jenen Gremien zu engagieren, in denen die Weichen für die Regeln zur Hilfsmittelversorgung gestellt werden.
Versorgungspfade und Qualitätsstandards definieren
Einen Ausblick darauf, was der neue Verein leisten kann, gaben Prof. Lutz Brückner und OTM Olaf Gawron, die gemeinsam das Kompedium zur Beinprothik vorstellten. Dieses Kompendium, das in Kürze erscheint, wurde von einem Expertengremium unter Vorsitz von Brückner noch unter der Flagge des Beirates Technische Orthopädie erarbeitet. Nach den 2014 publizierten Qualitätsstandards für die Prothetik der oberen Extremität handelt es sich damit um den zweiten von fünf Versorgungspfaden, die aktuell entwickelt werden. Auch zur Fußversorgung sollen Versorgungspfade erarbeitet werden.
„Das Hilfsmittelverzeichnis wird in der Prothetik nicht gelebt“, kritisierte Brückner. Seiner eigentlichen Aufgabe, die Art und Qualität der am Markt erhältlichen Produkte entsprechend der Einsatzgebiete zuzuordnen, werde es nicht gerecht. Die Indikationsbereiche seien teils fragwürdig gewählt. Bei den Schaftsystemen gebe keine Zuordnung nach der Aktivität und Beanspruchung. Das, worauf es ankomme, werde nicht abgebildet. Bei der Anpassung einer Prothese handele es sich immer um einen dynamischen, sich langsam entwickelnden Prozess. Die Dynamik der Versorgung müsse die Passteilauswahl bestimmen. Im Kompendium zur Prothetik der unteren Extremität seien nun zum ersten Mal Versorgungspfade für die Versorgung der unteren Extremität entwickelt worden. Das Kompendium sollte, so wünscht es sich Brückner, nicht nur für Ärzte, Orthopädietechniker und Physiotherapeuten, sondern auch für die Kostenträger als ein Instrument zum Verständnis und zur Kontrolle einer Versorgung dienen.
Offene Ohren bei der Politik
„Ich freue mich, dass ich Ansprechpartner für die Versorgungspfade bekomme“, sagte Dr. Roy Kühne, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag, der per Videokonferenz zugeschaltet war. Er bestätigte, dass die DGIHV als neutraler Verein der richtige Ansprechpartner werden könne, wenn es um die Um- und Neugestaltung der Hilfsmittelversorgung und des Hilfsmittelverzeichnisses gehe.
Er übernehme gerne die Initiative, wenn es um das Mitspracherecht der Leistungserbringer geht, erklärte Kühne, forderte jedoch, dass sich die Verbände im Vorfeld abstimmen und nicht mit unterschiedlichen oder gar gegensätzlichen Forderungen an die Politiker herantreten. Kühne zeigte sich überzeugt, dass, „wenn wir neue Versorgungspfade gehen, dies nicht zu Lasten des Budgets der Kassen geht“. Durch bessere Abläufe könne man bei höherer Qualität sogar Kosten sparen.
Vorstand repräsentiert den gesamten Hilfsmittelbereich
In der anschließenden Mitgliederversammlung wurden nach Verabschiedung des Haushaltsplanes und der Wahl der Kassenprüfer die weiteren Vorstandsmitglieder gewählt. Der geschäftsführende Vorstand besteht seit der Vereinsgründung aus den beiden Vorsitzenden Klaus Lotz und Prof. Bernhard Greitemann, Ärztlicher Direktor der Klinik Münsterland, sowie Prof. Volker Bühren, Ärztlicher Direktor der BG Unfallklinik Murnau und Alf Reuter, Vizepräsident BIV-OT.
Der erweiterte Vorstand besteht nach den Wahlen in Berlin aus Werner Dierolf, Präsident Zentralverband Orthopädieschuhtechnik; Matthias Bauche, Vorstand BIV Orthopädietechnik; Dr. Rolf Koschorrek, ehemaliges Mitglied des Bundestages und in der Mittelstandsvereinigung der CDU für den Bereich Gesundheit zuständig; René Schiller, Össur Deutschland; Norbert Aumann, Otto Bock; Axel Friehoff, EGROH; Dr. Ernst Pohlen, Geschäftsführer der Eurocom; Prof. Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC) und Prof. Christoph Gutenbrunner, Chefarzt der Klinik für Rehabilitationsmedizin in Hannover.
Der große, erweiterte Vorstand sei bewusst gewählt worden, erklärte Klaus Lotz, um alle an der Hilfsmittelversorgung Beteiligten einzubeziehen. Mehr über die Ziele der DGIHV und die Möglichkeiten der Mitarbeit und Mitgliedschaft unter www.dgihv.org.
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