22. November 2017

Wie wird der demografische Wandel die Gesundheitsversorgung beeinflussen?

Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen war einer der Hauptredner beim 12. Bauerfeind Branchenforum. Sein Thema: Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Gesundheitsversorgung. (Foto: Bauerfeind)

Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Gesundheitssystem und die Kunst der Entscheidungsfindung standen beim 12. Bauerfeind Branchenforum am 9. und 10. November in Düsseldorf im Blickpunkt.

Rund 300 Sanitätsfachhändler, Orthopädietechniker und Orthopädieschuhmacher konnte Prof. Hans B. Bauerfeind, Vorstandsvorsitzender der Bauerfeind AG, bei der Veranstaltung im Düsseldorfer Maritim Hotel begrüßen. Der 77-Jährige verdeutlichte, dass der Begriff „Familienunternehmer“ nicht von der Anzahl der Mitarbeiter anhänge. „Ob man Familienunternehmer ist oder nicht, ist eine Einstellung“, so Bauerfeind, mit der Größe des Unternehmens habe dies nichts zu tun.

„Jung zahlt, Alt nimmt“
Welche Auswirkungen hat der demografische Wandel auf die Gesundheitsversorgung der Zukunft? Mit dieser Frage beschäftigte sich Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität, der bereits beim ersten Bauerfeind Branchenforum vor 12 Jahren als Referent dabei war. „Es hat sich kaum etwas geändert“, so die Meinung des Finanzwissenschaftlers, der unterhaltsam und mit viel Witz die Zusammenhänge von Demografie und Gesundheitsversorgung darstellte.
 Raffelhüschen stellte dar, warum die Gesundheitsversorgung ein Generationenvertrag ist und zog Parallelen zur Rentnversorgung: „Jung zahlt, Alt nimmt“. „Wenn die Rentenversicherung nun stark in Bedrängnis geraten ist wegen der demografischen Schieflage, warum sollte das dann bei der Gesundheitsversorgung anders sein?“ In Bezug auf diese werde aber hauptsächlich über andere Probleme gesprochen. Er verdeutlichte die entstehende („Nachhaltigkeits“-) Lücke, in der wenige junge Menschen die medizinische Versorgung vieler älterer Menschen finanzieren werden müssen. Mögliche Folge dieser Entwicklung könnten kontinuierlich steigende GKV-Beitragssätze von bis zu 28 Prozent im Jahr 2050 sein, so der Finanzwissenschaftler. Da dies unzumutbar sei, müsse man jetzt dringend reagieren.

Wie könnte eine akzeptierbare Lösung aussehen?
Als generationenverträglichen Lösungsansatz präsentierte er die Freiburger Agenda zur GKV. „Die lohnspezifischen Beiträge sind falsch. Wir dürfen dieses Sytem nicht lohnabhängig finanzieren“, so Raffelhüschen. „Eine Lohnerhöhnung macht doch nicht krank“, gab er zu bedenken. Deshalb müsse man hin zu einer sozial abgefederten Gesundheitsprämie. Neben der Entkopplung von den Löhnen beinhaltet die Freiburger Agenda auch die Vermeidung eines zusätzlichen Kostendrucks im stationären Bereich durch ordnungs- und wettbewerbspolitische Maßnahmen. „Krankenhäuser sind Unternehmer wie Sie auch“, so der Finanzwissenschaftler, „und Unternehmer haben Preise, keine Gebührenordnung. „Preise spiegeln Qualitäten wider“, so Raffelhüschen, auch eine stationäre Behandlung müsse ihren Preis wert sein. Zudem forderte der Ökonom dazu auf, einen Selbstbehalt von 800 bis 1000 Euro pro Jahr für ambulante Leistungen und Medikamente einzuführen.
Im Gespräch mit Moderator Henning Quanz sagte Raffelhüschen: „Wir brauchen die Einbeziehung der Heil- und Hilfsmittel in die so skizzierte allgemeine Selbstbehaltlösung des Gesundheitssystems“. Bürger sollten mündig Heil- und Hilfsmittel nachfragen können. „Wenn nicht der Patient kontrolliert, kontrollieren bürokratische Instanzen“.

„Eine Null-Fehler-Kultur ist Blödsinn“
Um die Kunst der Entscheidungsfindung  ging es im Vortrag von Peter Brandl.  „Sie können keine guten Entscheidungen treffen, wenn sie nicht langfristig wissen, wo Sie hinwollen“, so der Pilot, Autor und Managementberater. „Wie soll Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung in 15 Jahren aussehen?“ – darüber solle sich jeder Gedanken machen. Auch, weil die Mitarbeitermotivation zu einem bedeutenden Maße von  konkreten Vorstellungen und einer langfristigen Planung abhänge.
Brandl forderte zu mehr Mut für Entscheidungen und damit auch zu mehr Mut zu Fehlern auf. „Eine Null-Fehler-Kultur ist Blödsinn“, so der Pilot. Ganz im Gegenteil, um aus Fehlern lernen zu können,  sei es wichtig zu fragen: „Was können wir jetzt tun?“ und nicht: „Wer ist schuld?“ Wer Mitarbeiter haben wolle, die Entscheidungen treffen und damit „lernende Organisationen“ sind, dürfe Fehler nicht bestrafen. „Wenn Sie Fehler sanktionieren, dann werden Fehler vertuscht“, so Brandl.  Es brauche eine Kultur, in der das Verschweigen von Fehlern  eine absolute Todsünde sei.

Entscheidungen als Unternehmer treffen
Wie man mutige unternehmerische Entscheidungen  trifft, wurde dann auch in der anschließenden Gesprächsrunde mit Peter Brandl, dem Düsseldorfer Bäckermeister Josef Hinkel, dem Kölner Bestattungsunternehmer und Karnevalist Christoph Kuckelkorn und dem Geschäftsführer der Stolle Sanitätshaus GmbH aus Hamburg, Detlef Möller, diskutiert.
„Es ist wichtig, genau zu wissen wo man im Markt steht und wie weit man gehen kann“, machte Hinkel hinsichtlich seiner Entscheidung, die Brötchenpreise trotz starker Billig-Konkurrenz anzuheben, deutlich. Passieren Fehler, sei es wichtig, Ruhe zu bewahren und direkt zu reagieren. Möller verdeutlichte, dass auch die Art der Kommunikation von Bedeutung ist: „Entscheidungen müssen gut kommuniziert werden, um am Ende alle mitzunehmen“.
Neben dem Vortragsprogramm wartete auf die Teilnehmer des 12. Branchenforums auch eine Ausstellung mit Neuheiten aus den unterschiedlichen Bauerfeind- Produktbereichen.