06. Dezember 2017

HHVG: Gesetzliche Klarstellungen zur Hilfsmittel-Reform "nicht ausgeschlossen"

Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.): Dr. Jörg Nosek, Andreas Brandhorst, Bettina Hertkorn-Ketterer, Carla Meyerhoff-Grienberger, Dr. Oliver Esch. (Quelle: BVMed)

Acht Monate nach dem Inkrafttreten des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) gibt es noch zahlreiche offene Fragen und Baustellen Das zeigte sich auf dem 4. Homecare-Management-Kongresses von MedInform, dem Seminarservice des BVMed, am 29. November 2017 in Berlin. Andreas Brandhorst vom Bundesgesundheitsministerium schloss "gesetzliche Klarstellungen" nicht aus. Carla Meyerhoff-Grienberger, GKV-Spitzenverband, erklärte, dass die Umsetzung des HHVG Zeit brauche.


Andreas Brandhorst zog aus Sicht des Gesetzgebers ein Resümee des Heil-und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG). Der Hilfsmittelbereich sei nur ein kleiner Block im Gesundheitssystem, sei aber für die Betroffenen, die regelmäßig auf Hilfsmittel angewiesen sind, von großer Bedeutung. Mit fünf Stellschrauben habe das HHVG das Ziel verfolgt, die Hilfsmittelversorgung zu verbessern: Mit der Akkreditierung und Überwachung der Präqualifizierungsstellen durch die Deutsche Akkreditierungsstelle, mit der Verpflichtung des GKV-Spitzenverbandes, das Hilfsmittelverzeichnis bis Ende 2018 grundlegend zu aktualisieren, mit Änderungen im Vertragsrecht (keine Ausschreibungen bei Hilfsmitteln mit hohem Dienstleistungsanteil, Berücksichtigung von Qualitätsanforderungen bei Ausschreibungen), mehr Beratung der Versicherten und einem stärkeren Vertragscontrolling.

Die Resonanz auf das HHVG sei insgesamt positiv gewesen. Doch konstatierte Brandhorst: „Auch die besten Vorschriften helfen nichts, wenn schwarze Schafe gegen die Vorschriften verstoßen. Wir müssen deshalb die Einhaltung der Qualitätsstandards besser kontrollieren.“ Die ersten Umsetzungsschritte des HHVG seien erfolgt, doch hätten die Akteure ihre eigenen Interessen, zudem würden Regelungen unterschiedlich ausgelegt, so Brandhorst. Gesetzliche Klarstellungen und Lückenschlüsse seien nicht auszuschließen. Dazu müssten aber Erfahrungswerte vorliegen, die derzeit aber noch nicht ausreichend seien.

Umsetzung braucht Zeit
Die Umsetzung des HHVG ist langwierig, erklärte Carla Meyerhoff-Grienberger, Hilfsmittel-Referatsleiterin beim GKV-Spitzenverband. Wie komplex das Thema sei, zeige alleine die Anzahl der Hilfsmittel-Versorgungsverträge, die im fünfstelligen Bereich liege. Zur gesetzlich vorgesehenen Fortschreibung des gesamten Hilfsmittelverzeichnisses bis Ende 2018 gehöre eine systematische Überprüfung aller Produktgruppen. Gleichzeitig werde an der Erstellung von Dienstleistungsanforderungen gearbeitet. Vor jeder Fortschreibung werde die Produktgruppe um veraltete Produkte bereinigt. Wichtig sei, dass die Hersteller Produktänderungen melden müssen, damit die Qualitätsanforderungen weiterentwickelt werden können, so Meyerhoff-Grienberger. "Wir sind auf dem Weg, es sind aber noch viele Details zu regeln. Denn kleine Dinge können im Hilfsmittelbereich eine große Wirkung haben.", lautete ihr Fazit.

Marco Lang, Abteilungsleiter für Hilfsmittel-Verträge bei der AOK Hessen, schilderte aus Sicht der Krankenkasse die ersten Erfahrungen mit dem HHVG. Aktuell seien rund 90 Prozent der Hilfsmittelversorgungen in Verhandlungsverträgen geregelt. Acht Prozent erfolgen im Rahmen von Ausschreibungen, für zwei Prozent bestehen aufgrund der individuellen Versorgungen keine Verträge. "Die Leistungsinhalte werden bereits umfassend und verpflichtend in den Verträgen beschrieben, ebenso Konsequenzen bei Verstößen“, meinte er. Lang bemängelte, dass im HHVG die Verbindlichkeit für die hinreichende Auswahl an aufzahlungsfreien Produkten nicht für Verhandlungsverträge festgelegt worden sei, sondern nur für Ausschreibungen. Zur Umsetzung des Vertragscontrollings merkte Lang an, dass die AOK Hessen die neuen HHVG-Vorgaben bereits überwiegend umgesetzt habe, die Erweiterung der Maßnahmen aber mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden sei. Lang: "Wir hoffen, dass dieser Aufwand am Ende auch bei den Versicherten ankommt". Zu den Maßnahmen gehören Kundenbefragungen zur Zufriedenheit mit der Versorgung oder Stichprobenprüfungen im Bereich der Abrechnung.

Mehr Beschwerden beim Bundesversicherungsamt
Antje Domscheit vom Bundesversicherungsamt (BVA) sprach von "steigenden Beschwerdezahlen" bei ihrer Behörde. Das BVA prüft, ob Krankenkassen ihren Pflichten zur Sicherung und Prüfung der Qualität in der Hilfsmittelversorgung nachkommen. In 2017 habe es bislang bereits rund 320 Beschwerden gegen das Verwaltungshandeln von Krankenkassen in der Hilfsmittelversorgung gegeben, davon 34 Beschwerden von Leistungserbringern gegen das Verhalten von Krankenkassen bei Vertragsverhandlungen. Schwerpunkte der Kritik waren Qualitätsdefizite sowie Ausschreibungen. Es gebe nach wie vor Rechtsunsicherheit, wie die neuen Anforderungen an Ausschreibungsverfahren nach dem HHVG erfüllt werden können.