Spectaris warnt vor Folgen der MDR

Knapp ein Jahr vor Ende der Übergangsfristen der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) warnt der Industrieverband Spectaris davor, dass die Versorgung von Patienten mit längst am Markt etablierten Medizinprodukten ab dem Stichtag 26. Mai 2020 massiv leiden könnte.
Aktuellen Medienberichten zufolge stellen immer mehr Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit ein, da sie mit dem Fahrplan zur Einführung der MDR nicht Schritt halten und die Kosten der komplizierten Zulassungsverfahren nicht stemmen können. „Das ist eine bedauerliche Entwicklung und gleichzeitig ein Weckruf an die Politik. Die Branche warnt schon lange vor den Folgen praxisferner Zulassungsverfahren und unzureichend vorhandenen Zertifizierungsstellen für Medizinprodukte“, betont Spectaris-Geschäftsführer Jörg Mayer.
Große Sorgen bereitet dem Spectaris-Fachverband Medizintechnik die schleppende Umsetzung der Verordnung: Das Inverkehrbringen innovativer Medizinprodukte, die in Krankenhäusern, Arztpraxen und der häuslichen Versorgung eine nicht selten überlebenswichtige Rolle spielen, werde aufgrund des komplizierten Neubenennungsprozesses der Benannten Stellen gehemmt oder sogar ganz verhindert. Die Benannten Stellen seien als unabhängige Prüf- und Kontrollinstanzen ein zwingend notwendiges Element in der Zulassung von Medizinprodukten in Europa.
Knapp ein Jahr vor dem Ende der Übergangsfristen der MDR, dem 26. Mai 2020, ist nur eine Benannte Stelle von der Europäischen Kommission benannt – in Großbritannien. "Nur eine Benannte Stelle ist also derzeit in der Lage, für die rund 27.000 Medizintechnikunternehmen in Europa die notwendigen MDR konformen Zertifikate für deren Produkte auszustellen. Selbst wenn im Laufe dieses Jahres noch weitere BS benannt würden, ist die Lage dramatisch. Die Situation wird zusätzlich dadurch verschärft, dass sich die Anzahl der zu zertifizierenden Produkte durch die MDR deutlich erhöht und der jeweilige Prüfaufwand wächst", warnt Spectaris.
Aus einer Umfrage des Industrieverbandes Spectaris und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages geht hervor, dass fast 80 Prozent der deutschen Medizintechnikunternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen, zukünftig innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen sieht sich gezwungen, ihre Produktlinien zu verringern, etwa ein Drittel plant sogar, Produkte gänzlich aus dem Programm zu nehmen. Ein weiteres Drittel der befragten Unternehmen gab an, dass ihre Existenz in Gefahr ist, was den Wegfall einiger Tausend Arbeitsplätze nach sich ziehen würde. (Zum Download der Umfrage.)
Spectaris fordert daher von der EU-Kommission praktikable Übergangslösungen, mit denen etablierte und innovative Medizinprodukte der Patientenversorgung erhalten bleiben.