11. Juli 2019

"Digitale-Versorgung"-Gesetz beschlossen

Tanusha/fotolia

Apps auf Rezept, Online-Sprechstunden und ein digitales Datennetz im Gesundheitsbereich – das sieht das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) vor. Das Bundeskabinett hat den Entwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 10. Juli 2019 beschlossen. Zum Referentenentwurf hatten die fünf Gesundheitshandwerke ein kritisches Positionspapier veröffentlicht.

Viele Patienten nutzen schon jetzt Gesundheits-Apps, die sie zum Beispiel dabei unterstützen, ihre Arzneimittel regelmäßig einzunehmen oder ihre Blutzuckerwerte zu dokumentieren. Künftig können sie sich einige solcher Apps auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung von ihrem Arzt verschreiben lassen. Nachdem die App vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Datensicherheit, Datenschutz und Funktionalität geprüft hat, wird sie ein Jahr lang vorläufig von der GKV erstattet. In dieser Zeit muss der Hersteller beim BfArM nachweisen, dass seine App die Versorgung der Patienten verbessert. Wie viel Geld der Hersteller erhält, verhandelt er dann mit dem GKV-Spitzenverband.

Digitale Angebote wie die elektronische Patientenakte sollen laut dem Gesetz möglichst bald flächendeckend genutzt werden können. Apotheken und Krankenhäuser werden verpflichtet, sich an die Telematik-Infrastruktur anschließen zu lassen. Hebammen und Physiotherapeuten sowie Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen können sich freiwillig an die Telematikinfrastruktur anschließen lassen. Die Kosten für die freiwillige Anbindung werden erstattet. Ärzte, die sich weiterhin nicht anschließen wollen, müssen einen erhöhten Honorarabzug von 2,5 Prozent ab dem 1. März 2020 in Kauf nehmen. Bisher lag er bei 1 Prozent.

Neben der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem E-Rezept kommt nun auch die elektronische Heil- und Hilfsmittelverordnung. Dazu sollen die
Voraussetzungen in den Regelwerken der Selbstverwaltung geschaffen werden. 

Künftig erhalten Ärztinnen und Ärzte eine deutlich geringere Erstattung für die Übermittlung eines Telefax als für das Versenden eines elektronischen Arztbriefs. Telekonsilien werden in größerem Umfang ermöglicht und extrabudgetär vergütet. Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme einer Videosprechstunde werden vereinfacht. Ärzte dürfen künftig auf ihren Internetseiten über das Angebot von Videosprechstunden informieren; die Aufklärung für eine Videosprechstunde kann jetzt auch in der Videosprechstunde erfolgen, nicht mehr wie bisher im Vorfeld.

Insbesondere für die Patientenakte sollen noch rechtliche Vorkehrungen für den Datenschutz getroffen werden. Dafür sollen im SGB V Anpassungen vorgenommen werden. Da eine Lösung dazu noch erarbeitet wird, kommen die weiteren Regelungen zur Patientenakte nicht im Digitalisierungsgesetz, sondern in einem eigenen Datenschutzgesetz.

Kritik von den Gesundheitshandwerken
Zum Referentenentwurf für ein Digitales Versorgungsgesetz hatten die fünf Verbände der Gesundheitshandwerke, darunter der Zentralverband Orthopädieschuhtechnik (ZVOS), eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht. Darin begrüßen sie zwar die Förderung der digitalen Versorgung, warnen aber auch vor Wettbewerbsbehinderungen sowie missbräuchlichem Umgang mit Gesundheitsdaten.

Die Gesundheitshandwerke fordern, dass alle im Versorgungssystem beteiligten Gruppen unter den gleichen Regulierungsgesichtspunkten behandelt werden. Bei der zukünftigen Entwicklung der Telematikinfrastruktur fordern sie die gleichberechtigte Einbindung in die relevanten Prozesse, etwa den Zugriff auf die elektronische Gesundheitskarte. Auch der Zugriff auf Befunde, Diagnosen, Therapieempfehlungen etc. müsste den Leistungserbringern ermöglicht werden, um die Versicherten fachgerecht versorgen zu können. Benachteiligungen, etwa gegenüber der Ärzteschaft oder auch gegenüber der Medizinprodukteindustrie, müssten vermieden werden. Der digitale Datenaustausch zwischen allen im GKV-Versorgungssystem beteiligten Gruppen müsse geregelt werden. Die Stärkung der digitalen Abrechnungsmöglichkeiten durch das elektronische Rezept begrüßen die Gesundheitshandwerke, sofern sie in die Telematik-Infrastruktur eingebunden werden.

Die Gesundheitshandwerke lehnen die Aufnahme von digitalen Gesundheitsanwendungen des Hilfsmittelbereichs (Apps) in den Versorgungskatalog der GKV entschieden ab. Sie sehen die Strukturqualität der Versorgung mit Hilfsmitteln gefährdet, insbesondere in Produktsegmenten, bei denen der nachhaltige Versorgungserfolg von einer fachgerechten Begleitung ebenso abhängig ist wie von einer hohen Compliance des Patienten. Die Gesundheitshandwerke weisen darauf hin, dass Versicherte bei Direktversorgungen durch den Hersteller regelmäßig keinen festen Ansprechpartner haben und nicht persönlich in den Gebrauch eingewiesen werden.

Sie kritisieren zudem, dass der Referentenentwurf in den Paragrafen zur Abgabe digitaler Gesundheitsanwendungen keine ausreichende Regelungen zum Datenschutz enthält, obwohl Hersteller sensible Gesundheitsdaten der Versicherten erhalten. Hier müsse die Weiterverwendung personenbezogener Daten durch die Hersteller vermieden werden, so die Gesundheitshandwerke.

Die fünf Verbände kritisieren, dass für Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen  keine hinreichenden Qualifikations- und Qualitätsanforderungen gelten, sondern lediglich die Aufnahme in ein Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nötig ist. Die Versorgung durch zugelassene Leistungserbringer im gefahrengeneigten Handwerk hingegen darf nur durch präqualifizierte Betriebe erfolgen. Mit solchen ungleichen Zugangs- und Wettbewerbsbedingungen bestehe die Gefahr struktureller Verwerfungen, die aus Sicht der Gesundheitshandwerke vermieden werden müssen.

Zur Stellungnahme der Gesundheitshandwerke.pdf