02. Dezember 2020

FRADE: Sensorgestütztes Projekt zur Sturzprävention

Mit der Tablet-App können sturzgefährdete oder gebrechliche Menschen auch zu Hause üben. Links im Bild die Sensoren, die alle Bewegungen registrieren. (Foto: Fraunhofer AICOS)

Für die Sturzprävention bei älteren Menschen hat das Fraunhofer-Center AICOS in Porto das Konzept FRADE entwickelt. Eine sensorbasierte Analyse der Bewegungsabläufe dient als Basis für ein individuelles Trainingsprogramm. Wenn es tatsächlich zu einem Sturz kommt, sendet das System eine Alarm-SMS an die Pflegekraft. 

FRADE steht für "pervasive platform for Fall Risk Assessment, Fall Detection und Fall Prevention". Die zentrale Komponente hierbei ist ein Sensor, der an der Kleidung befestigt wird. Dass im Falle eines Sturzes eine Alarm-SMS an die Pflegekraft verschickt wird, ist nur ein Teil des mehrstufigen Konzepts. »Wir wollen verhindern, dass es überhaupt zu Stürzen kommt«, erklärt Projektleiterin Joana Silva.

Analyse der Bewegungen, Ermitteln des Sturzrisikos
Bei FRADE wird zunächst eine Bewertung des Sturzrisikofaktors beim älteren oder gebrechlichen Menschen vorgenommen. Dazu werden in einer Serie von Tests die typischen Bewegungsabläufe der Person analysiert. Unter Anleitung einer therapeutischen Fachkraft führt die Person bestimmte Bewegungen aus. Sie muss beispielsweise vom Stuhl aufstehen, ein paar Schritte umhergehen oder die Knie beugen. Jede Übung wird mehrmals wiederholt. Ein Beschleunigungssensor, der am Hosenbein oder an der Taille befestigt wird, registriert die Bewegungen und schickt die Daten via Bluetooth Low Energy (BLE) an einen Desktop-PC. Bei bestimmten Übungen kommt unterstützend eine drucksensitive Fußmatte zum Einsatz, die die Verteilung des Körpergewichts auf den Fußsohlen registriert. Ein großes Display zeigt die plantare Druckverteilung graphisch und in Echtzeit an. Das System erkennt, wenn die Person etwa beim Beugen der Knie die Füße ungleichmäßig belastet und damit vielleicht Probleme mit dem Gleichgewicht bekommt.

Ihre Messdaten schickt die Matte via USB an den Rechner. Dort wertet eine mit spezifischen Algorithmen ausgestattete Software die Daten aus. "Aus all den Daten entsteht ein individuelles Bewegungsprofil. Damit ermitteln wir auch das Sturzrisiko des jeweiligen Menschen. Das ist eine der Innovationen von FRADE", erläutert Joana Silva. Alle Infos landen auf einem Backend-Server, der gleichzeitig als zentrale Datenspeicherungs-Plattform für die Pflegerinnen und Pfleger dient.

Individuelles Trainingsprogramm für zu Hause
Im zweiten Schritt erhält die Person ein Trainingsprogramm für zu Hause, das auf ihr individuelles Bewegungsprofil bzw. Sturzrisiko abgestimmt ist. Dazu wird sie mit einem Set aus Sensor und Android-Tablet ausgestattet. Die Trainings-App zeigt an, wie die Übungen auszuführen sind. Wieder registriert der Beschleunigungssensor die Bewegungen. Ein im Sensor integrierter Mikroprozessor verarbeitet alle Daten und schickt sie via BLE an das Tablet. Wer das Training regelmäßig ausführe, etwa zwei bis dreimal pro Woche, könne sein Sturzrisiko schon nach etwa acht Wochen erheblich mindern, teilt die Fraunhofer-Gesellschaft mit.

Die Android-App schickt die Daten, die bei den Übgungen entstehen, an den Webserver. Die Fachkräfte des Pflegedienstes haben so Zugriff auf die Trainingsdaten ihrer Klienten. Die Idee ist, dass sie bei Bedarf eingreifen und Unterstützung leisten können.

Alarm-SMS im Falle eines Sturzes
Der Sensor soll auch im Alltag getragen werden; er lässt sich mit einem Clip an der Kleidung befestigen. Wenn die Person trotz Training hinfällt, schickt der Sensor via Narrowband IoT (NB-IoT) eine Warnmeldung an den Webserver. NB-IoT ist eine auf kleine Datenmengen optimierte und energiesparende Funktechnik, die sich in bestehende Mobilfunknetze integrieren lässt. Wird NB-IoT nicht unterstützt, nutzt das Sensor-Modul einfach die klassische GSM-Technik. Wenn der Webserver die Warnmeldung erhält, löst er eine SMS an die Pflegekraft aus. 

Mobiler Einsatz mit GPS
Sowohl die Android-App als auch die Desktop-Software wurde von den Fraunhofer-Forschenden entwickelt. Zudem wurden die Spezifikationen für das tragbare Gerät von den Expertinnen und Expertinnen am AICOS definiert. Als Projektpartner mitgearbeitet haben die Universität von Porto sowie eine Schule für Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, die Escola Superior de Enfermagem do Porto. Die europäische Union hat das vom AICOS koordinierte Projekt im Rahmen des Förderprogramms EIT Health RIS Innovation Call mit 75 000 € unterstützt.

In der nächsten Phase arbeitet das Center in Porto daran, das System für den mobilen Einsatz zu validieren. Der Sensor könnte Senioren auch beim Einkaufen oder Spazierengehen begleiten und bei einem Sturz mithilfe von GPS gleich die Position des Gestürzten ermitteln.

Von FRADE könnten auch Krankenhäuser, Arztpraxen, Therapiezentren oder Pflegedienstleister profitieren, so Fraunhofer. Es ermögliche zudem die dezentrale Versorgung und Unterstützung der Menschen, da diese ihre Übungen zu Hause ausführen können.