16. Februar 2021

Schwache Muskeln und Übergewicht schaden den Gelenken

Foto: alessandrozocc/AdobeStock

Es ist bekannt, dass langjährige starke körperliche Beanspruchung - wie etwa bei Profifußballspielern - zu vermehrter Arthrose von Kniegelenken führen kann. Was viele nicht wissen: Auch zu wenig Sport und Bewegung können vorzeitigen Gelenkverschleiß begünstigen. Darauf weist die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. angesichts des fortdauernden Corona-Lockdowns und Bewegungsmangels in der Pandemie hin und rät zu präventiven Maßnahmen.

Wie die AE berichtet, zeigen Studien: Eine schwache Muskulatur rund um das Knie kann Belastungen des Gelenks, wie das Treppensteigen, weniger gut abfangen und dämpfen (1). Durch die ungeschützt einwirkenden Kräfte wird der Gelenkknorpel überbeansprucht und beginnt dadurch im wahrsten Sinne des Wortes „Schritt für Schritt“ zu verschleißen. Durch einen untrainierten Muskelapparat erhöht sich zudem die Sturzgefahr. Brüche können den Knorpel weiter schädigen. Die Experten der AE raten deshalb zur Prävention: Sie beinhaltet Gewichtskontrolle und tägliche moderate Bewegung des ganzen Körpers mit gezielter Kräftigung und Dehnung der Gelenkmuskulatur sowie Schulung der Balance.

„Muskulatur baut sich ab, wenn sie nicht laufend trainiert wird“, sagt Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, AE-Präsident und Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. Diese Erkenntnis wird unter anderem durch eine dänische Studie belegt: So hatte sich bei 32 männlichen Probanden schon nach zwei Wochen vollkommener Inaktivität bereits bis zu einem Drittel der Muskelmasse zurückgebildet (2).

Dabei braucht es kräftige Muskeln, um das größte und komplizierteste Gelenk in unserem Körper, das Knie, zu schützen: Die das Kniegelenk stabilisierende Muskulatur fängt große Gewichtseinwirkungen ab. Diese entstehen auch schon bei alltäglicher Belastung: „Beim Treppenabsteigen etwa wird das Kniegelenk mit dem Vielfachen des Körpergewichts belastet (3)“, erläutert Heller. Außerdem hält und stabilisiert die Muskulatur das Gelenk und sorgt für saubere Bewegungsabläufe. Schädliche Fehl- und Überbelastungen werden so abgemildert und manche Stürze vermieden. Bewegung wiederum ist für die Ernährung des Knorpels wesentlich.

„Die eingeschränkte muskuläre Kontrolle des Kniegelenkes gilt als vergleichbarer Risikofaktor für Arthrose wie ein durch eine Verletzung instabil gewordenes Gelenk – etwa als Folge von einem Riss des Kapsel-Band-Apparats oder einem Meniskusschaden“, so Heller. „Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass bei Patienten mit Arthrose des Kniegelenks der große vierköpfige Oberschenkelmuskel, der sogenannte Quadrizeps, geschwächt ist“, sagt Prof. Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE. „Tatsächlich steht der muskuläre Abbau des Quadrizeps oft am Beginn einer Arthrose – und ist nicht, wie zu vermuten wäre, seine Folge.“

Wenn zur Muskelschwäche noch Übergewicht dazu kommt, verstärken sich die schädlichen Effekte. „Inaktivität kann deshalb Arthrose begünstigen“, fasst Perka zusammen, der der Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist. Bereits bestehende Risikofaktoren wie starke X- und O-Beine oder vorangegangene Verletzungen des Kniegelenks verstärken diese Vorgänge noch“, so der Orthopäde und Unfallchirurg.

„Es existiert bislang kein therapeutisches Verfahren, das Kniegelenksarthrose dauerhaft aufhalten oder gar umkehren kann“, sagt Perka. Wenn sie stark fortgeschritten ist, kann am Ende der Behandlungskette der operative Einsatz eines Ersatzgelenks stehen. Die AE rät deshalb zu Prävention mit täglichem moderaten Ausdauer-, Kraft- und Beweglichkeitstraining - für jedermann.

Literatur
1. Diagnose Arthrose, Stephan Kirschner, Lukas Konstantinidis, Akt Rheumatol 2020; 45: 39–47, DOI https://doi.org/10.1055/a-1005-1734
2. Six weeks' aerobic retraining after two weeks' immobilization restores leg lean mass and aerobic capacity but does not fully rehabilitate leg strenght in young and older men,  Andreas Vigelsø, Martin Gram, Caroline Wiuff , Jesper L. Andersen, Jørn W. Helge, and Flemming Dela, J Rehabil Med 2015; 47: 552–560, DOI: 10.2340/16501977-1961

3. Gewichtsbelastung ≠ Gelenkbelastung, Frank Diemer, Volker Sutor, Physiopraxis 2014; 9: S. 35-37