„State of the art“ Handlungsanweisung für Orthopädische Maßschuhe für Patienten mit Diabetes und peripherer Neuropathie
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30. Juli 2021
„State of the art“ Handlungsanweisung für Orthopädische Maßschuhe für Patienten mit Diabetes und peripherer Neuropathie
SICCO A. BUS1 | JENNEFER B. ZWAFERINK1 | RUTGER DAHMEN2 | TESSA BUSCH-WESTBROEK1
1 Abteilung für Rehabilitationsmedizin, Amsterdam UMC, University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande
2 Amsterdam Rehabilitation Research Center, Amsterdam, Niederlande
Zusammenfassung:
Orthopädische Maßschuhe werden auf der Basis von evidenzbasierten Leitlinien oft für Patienten mit Diabetes verschrieben, bei denen die Gefahr einer Ulzeration besteht. In diesen Leitlinien werden jedoch, trotz verfügbarer wissenschaftlicher Evidenz, keine Herstellungsanweisungen gegeben. Wir hatten das Ziel, eine Handlungsanweisung zu entwickeln, um Verschreibungen für orthopädische Maßschuhe für Patienten mit Diabetes und periphere Neurophathie zu unterstützen.In unserem Fokus standen Patienten mit Diabetes mit einem moderaten bis hohen Risiko, ein Fußgeschwür zu entwickeln, für die maßgefertigtes orthopädisches Schuhwerk (Schuhe und/oder Einlagen) verschrieben werden können. Eine Expertengruppe aus den Bereichen Rehabilitationsmedizin, Orthopädieschuhtechnik und Forschung am diabetischen Fuß sichtete die wissenschaftliche Fachliteratur und traf sich zu zwölf Präsenzsitzungen, um einen Algorithmus für die Schuhkonstruktion und die evidenzbasierte Druckentlastung als Handlungsanweisung zu entwickeln. In den Bereichen, in denen keine Evidenz verfügbar war, wurde ein Konsens erreicht. Es wurden vierzehn Bereiche der Fußpathologie in Kombination mit dem Verlust der schützenden Schmerzempfindung für den Schuhgestaltungs-Algorithmus bestimmt und für jeden Bereich wurden schuhspezifische und einlagenspezifische Eigenschaften definiert. Die meisten der einlagenspezifischen und einige der schuhspezifischen Eigenschaften waren evidenzbasiert, während die meisten schuhspezifischen Eigenschaften konsensbasiert waren. Der Druckentlastungs-Algorithmus war evidenzbasiert und hat neue Testdaten zu Schuhen und Daten insbesondere von Patienten mit einem geheilten plantaren Fußulkus verwendet. Diese Schuhkonstruktions- und Druckentlastungsalgorithmen sind die ersten ihrer Art und haben das Ziel, eine einheitlichere Entscheidungsfindung bei der Verschreibung und Herstellung adäquater Schuhe für Patienten mit moderatem bis hohem Risiko zu ermöglichen, indem die Variationen beim Schuhangebot reduziert werden und das klinische Ergebnis bei der Vermeidung von diabetischen Fußgeschwüren verbessert wird.
1 Einführung
Orthopädische Maßschuhe werden in vielen Fällen für Patienten mit Diabetes verschrieben, die ein moderates bis hohes Risiko einer Ulzeration haben, mit dem Ziel, Platz für vorhandene Fußdeformitäten zu bieten, plantaren Spitzendruck zu reduzieren, Stabilität beim Gehen zu erreichen und den Fuß vor kleineren Traumata zu schützen. Internationale Richtlinien empfehlen orthopädische Maßschuhe zur Vermeidung von Ulzerationen am diabetischen Fuß, wobei für Patienten, die von einem plantaren Fußulkus geheilt sind, Zieldruckwerte für das Schuhwerk angegeben werden (1 – 5). Während die Ziele für orthopädische Maßschuhe klar sind und die klinische Entscheidungsfindung bei der Auswahl des Schuhtyps oft durch den Grad der auftretenden Fußdeformität definiert ist, kann die Gestaltung der Schuhe variieren und sie wird kaum durch eine veröffentlichte Handlungsanweisung, Schuhkonzept oder durch einen veröffentlichten Algorithmus unterstützt. In der wissenschaftlichen Fachliteratur wurden lediglich zwei konsensbasierte Algorithmen für orthopädische Maßschuhe und ein Gestaltungs-Algorithmus für maßgefertigte Einlagen (Im englischen Originaltext wird von Insoles gesprochen. Nach der Ausführungsbeschreibung im Text handelt es sich hier um Einlagen die in ihrem Aufbau der diabetesadaptierten Fußbettung entsprechen.), der sich an dem Druck und an der Fußform orientiert, gefunden (6 – 8). Und während die internationalen Leitlinien die Notwendigkeit für adäquate Schuhe betonen, werden keine Angaben für die Gestaltung der Schuhe gemacht (9). Es fehlt daher immer noch weitgehend eine umfassende konzeptionelle Herangehensweise zur Vermeidung von Fußerkrankungen mit Hilfe von Schuhen, was die Wirksamkeit der Prävention beeinträchtigen kann. Dies ist bedauerlich, da die biomechanischen Effekte der Schuh- und Einlagenkonstruktion und deren Eigenschaften breitflächig untersucht wurden und sich als konsistent herausgestellt haben (10 – 14). Ferner wurde die klinische Wirksamkeit einiger dieser biomechanischen Schuhkonstruktionen bei der Risikoverminderung von Rezidiven der Geschwüre nachgewiesen (15 – 17). Es ist offensichtlich schwierig, dieses Wissen in die praktische Schuhversorgung zu übersetzen, was die Notwendigkeit einer Handlungsanweisung zur Gestaltung für orthopädische Maßschuhe unterstreicht, um damit die Verschreibung und Herstellung über die Richtlinien hinaus zu ermöglichen. Eine derartige Handlungsanweisung sollte evidenzbasiert sein; wo keine Evidenz verfügbar ist, sollten konsensbasierte Gestaltungsregeln verwendet werden. Unser Ziel war es, eine Handlungsanweisung für orthopädische Maßschuhe für Patienten mit moderatem bis hohem Risiko mit Diabetes und peripherer Neuropathie zu entwickeln und vorzustellen.
2 Materialien und Methoden
Im Fokus standen Patienten mit Diabetes mit moderatem bis hohem Risiko, ein Fußulkus zu entwickeln, da sie aufgrund einer peripheren Neuropathie einen Verlust der schützenden Schmerzempfindung haben, und typischerweise bereits einmal ein Fußulkus hatten oder eine Fußdeformität aufweisen (einschließlich eingeschränkter Gelenkbeweglichkeit). Die Handlungsanweisung besteht aus zwei Teilen: (1) ein evidenz- und konsensbasierter Gestaltungs-Algorithmus für Patienten mit moderatem bis hohem Risiko und (2) ein evidenzbasierter Druckentlastungs-Algorithmus für Hochrisikopatienten, die bereits einmal ein plantares Fußulkus hatten. Die wissenschaftliche Fachliteratur zu den biomechanischen Effekten der Schuhgestaltung für Diabetespatienten wurde durchgesehen und bewertet (von J. Z. und S. B.), um die Evidenzgrundlage für die Algorithmen zu bestimmen.
2.1 Schuhgestaltungs-Algorithmus
Eine Expertengruppe aus diesem Bereich traf sich zwölfmal für zwei Stunden, um den Algorithmus zu entwickeln. Diese Experten waren unter anderem zwei Rehabilitationsmediziner (R. D. und T. B.) und vier erfahrene Orthopädieschuhmacher, die alle langjährige Erfahrung in der Versorgung von Diabetespatienten mit orthopädischen Maßschuhen haben, und zwei Wissenschaftler, die zum diabetischen Fuß forschen (S. B. und J. Z.). Die Experten definierten die Bereiche der Pathologien des Fußes für den Schuhgestaltungs-Algorithmus. Das Ziel war es hier, mindestens 80 % der Füße, die in der praktischen Schuhversorgung versorgt werden, zu besprechen. Die Experten definierten auch die technischen Aspekte der Schuhe, also die unterschiedlichen Eigenschaften der Schuh- und Einlagengestaltung, die in den Algorithmus einbezogen werden mussten. Definitionen für den Wirkungsmechanismus für Schuhe/Einlagen, die Eigenschaften der Schuhkonstruktion und die verwendeten Materialien wurden sorgfältig betrachtet und festgelegt, um innerhalb der Expertengruppe zu einem einheitlichen Verständnis zu gelangen. Die Expertengruppe diskutierte die Ergebnisse der Literaturrecherche. Die Evidenz, die für die verschiedenen Schuh- und Gestaltungseigenschaften gefunden wurde, wurde in den Algorithmus aufgenommen. Die vorliegende Evidenz konnte direkt sein, das heißt, dass die Studienergebnisse bei Patienten mit Diabetes gewonnen, oder indirekt, das heißt, durch Studien bei Personen ohne Diabetes. Für diejenigen Eigenschaften der Schuhe oder der Einlagen, für die keine Evidenz verfügbar war, wurde ein Konsens innerhalb der Gruppe erarbeitet. Vorherige konsensbasierte Algorithmen wurden ebenfalls herangezogen (6, 7). Ein Algorithmus-Entwurf wurde von jedem Experten beurteilt und mit der Gruppe während einer der Sitzungen diskutiert. Die geäußerten Meinungen wurden in einen neuen Entwurf aufgenommen. Nach mehreren Wiederholungen dieses Vorgehens wurde die endgültige Fassung des Algorithmus geschrieben.
2.2 Druckentlastungs-Algorithmus
Wir haben die Ergebnisse der systematischen Literaturrecherche sowie Daten aus unseren publizierten Studien zur Schuhversorgung (10, 15) verwendet, um einen evidenzbasierten Gestaltungsalgorithmus für verbesserte und anhaltende Druckentlastung bei orthopädischen Maßschuhen für Hochrisiko-Diabetespatienten mit früher bereits aufgetretenen Fußgeschwüren zu entwickeln.
3 Ergebnisse
3.1 Schuhgestaltungs-Algorithmus
Insgesamt wurden 14 Bereiche der Fußpathologie definiert (Tabelle 1). Bei allen liegt ein Verlust der schützenden Schmerzempfindung und pro Bereich eine spezifische Deformität (einschließlich eingeschränkter Gelenkbeweglichkeit) vor. Der Text enthält genaue Angaben für die Eigenschaften der Schuhe und der Einlagen für jeden Bereich. Es können Kontraindikationen auftreten für eine oder mehrere Gestaltungseigenschaften bei Patienten, die in mehr als einen Bereich passen oder bei denen spezifische Bedingungen vorliegen, wie weiter unten erklärt wird oder wenn es vom verschreibenden Arzt oder Orthopädieschuhmacher so beurteilt wird.
Einige Faustformeln der Schuhgestaltung treffen auf jeden einzelnen der 14 Bereiche zu:
Jeder Schuh muss genügend Platz in der Länge und in der Weite bieten, wobei mindestens 1 cm Platz in der Länge zwischen dem längsten Zeh und der Schuhspitze vorhanden sein muss. Die Zehenbox muss hoch genug sein, um nicht-korrigierbare Krallen- oder Hammerzehen oder einem überstreckten Hallux Platz zu bieten.
Beim Innenfutter sollte es keine Säume geben.
Die Schuhe sollten schnürbar sein. Wenn die Funktion der Hände eingeschränkt ist, sind Klettverschlüsse die beste Option.
Der Schuh sollte eine adäquate Dämpfung während der Belastung des Fußes besitzen.
Bei aktiver Nutzung sollte auf Haltbarkeit (bei der Auswahl des Materials) und auf das Gewicht des Schuhs geachtet werden.
Bei einer klar reduzierten Propriozeption sollte auf eine stabile Unterstützung während des Stehens geachtet werden, gegebenenfalls durch die Verwendung eines distaleren Rollenscheitels an der Schuhsohle.
Im Fall eines Ödems oder empfindlicher Haut im Bereich des Unterschenkels wird ein tiefgeschnittener Schuh bevorzugt. Wenn ein hochgeschnittener Schuh indiziert ist, sollte der Schuh innen gepolstert sein und die obere Kante des Schuhs sollte über dem verletzungsgefährdeten Bereich liegen. Eine flache Schicht von 1,5 mm Material unter der Einlage bietet die Möglichkeit, das Volumen des Schuhs bei wechselnden Ödemzuständen zu verändern.
3.1.1 Schuh-/ Schafthöhe
Folgende Klassifikation wird für die Höhe des Schuhs oder des Schafts verwendet:
Tief geschnitten = unter dem Malleolus.
Hoch geschnitten = auf Höhe des Malleolus.
Extra hoch geschnitten = über dem Malleolus.
3.1.2 Schaftflexibilität/-verstärkung
Bei einer fixierten Varus-Fehlstellung im Subtalargelenk sollte eine laterale Rückfußverstärkung eingesetzt werden, und eine mediale Rückfußverstärkung im Falle einer starren Valgus-Fehlstellung, um Stabilität zu geben. Setzen Sie die Verstärkung immer in Kombination mit einer Verstärkung auf der kontralateralen Schuhseite ein. Bei einer korrigierbaren Varus- oder Valgus-Fehlstellung im Subtalargelenk kann ein 5-Grad Keil im hinteren Einlagenteil eingesetzt werden (19). Wenn die Erkrankung mit einer Muskelschwäche des M. tibialis anterior oder des M. peroneus longus (Medical Research Council ≤ 3) einhergeht, sollte eine extra hochgeschnittene Verstärkung innerhalb des Schuhs gewählt werden, um die Dorsalflexion des Sprunggelenks zu unterstützen. Eine andere Möglichkeit ist es, eine externe Orthese, so zum Beispiel eine Unterschenkelorthese, hinzuzufügen.
3.1.3 Sohlenrollenprofil
Eine Sohlenrolle unter dem Schuh reduziert Druckspitzen unter dem Vorfuß in erheblichem Maße (20 - 25). Für Illustrationen des Sohlenrollenscheitels, der Achse und des Winkels und der Längsachsen (21, 25 ) (s. auch Beitrag ab S. 37).
Bei orthopädischen Maßschuhen wird die Sohlenrolle in die Einlage eingearbeitet, wobei die Außensohle der Form der Einlagen-Sohlenrolle eins-zu-eins folgt. Bei vorgefertigten Schuhen befindet sich die Sohlenrolle in der Außensohle.
Die Scheitellinie der Rolle ist der zentrale Punkt der Sohlenrolle. Um für eine optimale Balance für die Druckentlastung unter den verschiedenen Metatarsalköpfchen zu sorgen, sollte sie bei 60 % der Schuhlänge liegen, gemessen vom hinteren Ende des Schuhs (20 - 22). Dies entspricht einer Sohlenrollenachse, die circa 1,3 cm proximal zum Metatarsalköpfchen 1 und circa 2,6 cm proximal zum Metatarsalköpfchen 2 für die Schuhgröße 9,5 der USA liegt (22) (in franz. Stich Größe 42/43).
Um für eine optimale Balance für die Druckentlastung unter den Zehen zu sorgen, sollte der Sohlenrollenscheitel bei 65 % der Schuhlänge liegen, gemessen vom hinteren Ende des Schuhs (22 - 24). Dies entspricht einer Sohlenrollenachse, die ~0,2 cm distal zum Metatarsalköpfchen 1 und ~ 1,2 cm proximal zum Metatarsalköpfchen 2 für die Schuhgröße 9,5 der USA liegt (22). (in franz. Stich Größe 42/43).
Der Sohlenrollenwinkel ist der Winkel zwischen dem Boden und der Unterseite des Schuhs von der Scheitellinie der Rolle nach vorn betrachtet und sollte 20° in jedem Schuh betragen, unabhängig von der Schuhgröße (21). (s. auch Beitrag ab S. 37).
Der Scheitelwinkel ist der Winkel zwischen dem Sohlenrollenscheitel und der Längsachse des Schuhs und sollte 95° betragen. Das bedeutet, dass der Sohlenrollenscheitel medial mehr distal liegt als auf der lateralen Seite. Die Scheitellinie der Rolle sollte trotzdem bei 60 %/65 % der Schuhlänge (siehe oben) liegen. Bei einer Exorotationsposition des Fußes muss der Sohlenrollenscheitel korrigiert werden, um einen Sohlenrollenwinkel von 95° in Laufrichtung zu erhalten.
a der Wirkungsmechanismus des Schuhs kann korrektiv, akzeptierend und kompensierend sein. Korrektiv bedeutet, dass der Schuh die abweichenden Gelenkpositionen des Fußes korrigiert. Akzeptierend bedeutet, dass diese abweichenden Gelenkpositionen vom Schuh akzeptiert werden. Kompensierend bedeutet, dass eine Bewegungseinschränkung oder eine Amputation kompensiert wird; Der Schuh übernimmt dann die Funktion des betroffenen Teils des Fußes.
Erläuterung der Buchstabensymbole
A. Für einen rigiden Pes cavus mit rigiden Krallenzehen ist der Wirkungsmechanismus akzeptierend, für nicht-rigide Krallenzehen ist er korrigierend.
B. Für einen flexiblen Pes planus ist der Wirkungsmechanismus korrigierend, für einen Hallux valgus ist er akzeptierend.
C. Die erste Versorgung ist ein von außen verstärkter extra-hoher Schaft und eine Verstärkung der Außensohle. Nach >3 Monaten wird gewechselt zu einem gehärteten hohen Schaft mit medialer/lateraler Verstärkung zwischen dem Innenfutter und dem Oberleder des Schuhs und einer verstärkten Außensohle.
D. Verwenden Sie generell einen hohen gehärteten Schaft mit medio-lateraler Verstärkung. Erwägen Sie einen extra-hohen verstärkten Schaft bei extremem Spitzfuß, der eine gewisse Bewegung im Sprunggelenk ermöglicht.
E. Bei Hallux rigidus und Wunsch nach Bewegungseinschränkung im ersten Metatarsophalangealgelenk verwenden Sie einen großen Abrollwinkel (>20°) und eine Verstärkung der Außensohle.
F. Erwägen Sie die Verwendung einer versteiften Außensohle, wenn nur der Hallux amputiert ist, um den Druckaufbau auf dem ersten Metatarsalköpfchen zu vermeiden. Bei einer Amputation des ersten Strahls kann eine verstärkte Außensohle verwendet werden.
G. Erwägen Sie einen verstärkten steifen Schaft bei Vorfußamputationen und Problemen mit der Gangstabilität.
3.1.4 Schuhaußensohle
Die Schuhaußensohle hat die Aufgabe zu dämpfen und kann biegsam oder verstärkt hergestellt werden. Zur Herstellung einer Außensohle, die nicht gebogen werden kann, kann sie mit einer Carbon- oder Metallschicht über einen Teil oder über die gesamte Länge des Schuhs versteift werden. Bei einer eindeutig reduzierten Propriozeption sollte eine verstärkte aber nicht eine versteifte Außensohle eingesetzt werden. Achten Sie auf genügend Traktion der Außensohle bei diesen Patienten mit peripherer Neuropathie.
3.1.5 Zunge
Die Zunge des Schuhs kann biegsam, verstärkt, oder steif hergestellt werden und ist immer gepolstert. Eine steife Zunge wird hauptsächlich bei Vorfußamputationen verwendet.
3.1.6 Absatz des Schuhs
Der Absatz des Schuhs kann verschieden ausgestaltet werden. Die normale Absatzhöhe für Männer liegt bei 1,5 - 2 cm und für Frauen bei 2,5 - 3 cm. Eine erhöhte Absatzsprengung wird in kompletten orthopädischen Maßschuhen via Absatzsprengung innerhalb des Schuhs, bei vorgefertigten Schuhen via Absatzsprengung in der Einlage (maximal 1 cm) erreicht. Eine erhöhte Absatzsprengung beim Spitzfuß (Pes equinus) hängt vom verfügbaren Bewegungsradius des Sprunggelenks ab. Ein lateral oder medial ausgestellter Absatz kann sinnvoll sein, wenn eine Varus- oder Valgusneigung des Calcaneus vorliegt, um das Druckzentrum zu normalisieren.
Bemerkung: Bei speziellen Bedingungen können Kontraindikationen für eine oder mehrere Designeigenschaften dieses Algorithmus vorkommen, wie in den Ergebnissen erklärt wird oder wenn es vom verschreibenden Arzt oder Schuhtechniker so beurteilt wird. a oder Multiform b oder Materialien mit ähnlichen Eigenschaften cMaximal zwei Durchgänge mit Modifizierungen des Schuhs und/oder der Einlage mit nachfolgender Drucküberprüfung sind empfohlen, um ein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erhalten. Für weitere Modifizierungen nach zwei Durchgängen sollte das erreichte Druckergebnis und die investierte Zeit und Mühe in Erwägung gezogen werden.
3.1.7 Basis der Einlage
Die Basis der Einlage bei einem kompletten Maßschuh sollte 5 mm starker Mikrokork (Shore 55) sein mit 5 mm starkem Ethylenvinylacetat (EVA) (Shore 35 - 40) darauf. Bei vorgefertigten Schuhen sollte die Basis aus 6 mm starkem EVA (Shore 35 - 40) bestehen. Die Verwendung von Materialien mit bewährten ähnlichen Eigenschaften, hauptsächlich in Bezug auf Komprimierbarkeit und Haltbarkeit, ist auch möglich (26).
3.1.8 Deckschicht der Einlage
Die Deckschicht der Einlage sollte aus einer Kombination von 3 mm starkem geschlossenporigem Schaum (z. B. Plastazote Typ LD45) auf einem 3 mm starken offenporigem Polsterschaum (z.B. Professional Protective Technology (PPT)), über die gesamte Länge, bestehen. Die Kombination von Plastazote und PPT hat sich als wirksam bei der Druckentlastung herausgestellt (10), aber die Verwendung von Materialien mit ähnlichen Eigenschaften ist ebenso möglich. Eine Deckschicht aus Leder hat sich als unwirksam bei der Druckentlastung herausgestellt und sollte nicht verwendet werden (10).
3.1.9 Mittelfußabstützung
Eine Mittelfußabstützung verbessert die Spitzendruckreduzierung der Metatarsalköpfchen deutlich (10, 19, 27 - 38).
Verwenden Sie zur retrocapitalen Abstützung, die alle Metatarsalköpfchen entlastet, einen metatarsalen Steg (30). Ein lokales metatarsales Polster oder eine retrokapitale Pelotte kann man einsetzen, wenn nur ein metatarsaler Bereich (Zeichen eines) hohen Druck aufweist, oder wenn eine Stelle, an der vorher ein Geschwür bestand, lokal entlastet werden soll.
Das Material der metatarsalen Abstützung sollte aus EVA, Kork, oder einem ähnlichen Material (Shore 55) sein (31). Die Abstützung ist überzogen mit der Deckschicht der Einlage.
Die Höhe der Abstützung sollte bei 9 – 10 mm liegen (29).
Die Abstützung sollte 6–11 mm proximal zum Metatarsalköpfchen, in statischer Position gemesses, liegen (32, 37, 38). Das bedeutet, dass bei einer Abstützung deren Scheitel 10 mm von ihrem distalen Rand entfernt ist und der distale Rand 6 – 11 mm proximal der Mitte des Mittelfußkopfes liegt (31). Daher ist der Scheitel der metatarsalen Abstützung 16–21 mm vom Zentrum des Metatarsalköpfchens entfernt. Berücksichtigen Sie, dass die Deckschicht der Einlage die effektive Lage der metatarsalen Unterstützung im Schuh beeinflusst, indem sie ihn mehr in distale Richtung bringt.
Bei einer Plantarfaszie, die sehr angespannt ist, oder bei Knoten in der Faszie (z.B. bei Patienten mit Morbus Ledderhose [oder plantarer Fibromatose]) sollte die Abstützung eingeschränkt sein und diese Knoten sollten auf adäquate Weise entlastet werden.
3.1.10 Unterstützung der medialen Wölbung
Eine mediale Fußgewölbestütze reduziert ebenfalls deutlich den Spitzendruck im Vorfuß (7, 10, 12, 19, 27, 39, 40). Fügen Sie der vorhandenen Fußgewölbestütze, die Sie mit Hilfe der anatomischen Abformung mit halbbelastetem Gipsabdruck, mit Trittschaumabdruck oder einem Scan ermitteln, 3 – 5 mm Höhe hinzu (10, 19). Die Druckentlastung unter dem Hallux kann durch die Kombination einer Fußgewölbestütze mit einem Varuskeil auf voller Länge verbessert werden (19). Bei einer Plantarfaszie, die sehr angespannt ist, oder bei Knoten in der Faszie (z. B. bei Patienten mit Morbus Ledderhose [oder plantarer Fibromatose]), sollte die Unterstützung des medialen Fußgewölbes individuell angepasst werden; Eine Alternative wäre eine Unterstützung am Sustentaculum tali.
3.1.11 Fersenschale
Eine Fersenschale hält das subkutane Fettgewebe effektiver unter dem Calcaneus und kann den Druck zum Mittelfuß und zu den Wänden der Einlage verteilen und damit die Ferse vom Druck entlasten (19, 27).
3.1.12 Materialentfernung und lokale Polsterung
Das Entfernen von Material (lokales Ausschneiden) an der Stelle, an der früher ein Geschwür war, oder an einer Stelle, auf der hoher Druck lastet und die Polsterung dieser Stellen mit einem anderen Material, reduziert lokalen Spitzendruck (10,12). Die ausgeschnittene Stelle sollte in Laufrichtung rund oder leicht oval sein und minimal größer als der betreffende Bereich. Sie sollte 5 mm tief sein und mit 3 mm haltbarem Material bis Shore 30 gepolstert werden.
3.2 Algorithmus des Druckentlastungsdesigns
In Tabelle 2 wird der Algorithmus zur Druckentlastung gezeigt, der aus zehn notwendigen Schritten für die Gestaltung von orthopädischen Maßschuhen besteht, um bei Hochrisiko-Patienten, die bereits einmal ein plantares Fußulkus hatten, den plantaren Spitzendruck effektiv zu reduzieren.
4 Diskussion und Schlussfolgerungen
Der Schuhgestaltungs-Algorithmus deckt die meisten Fußtypen und Deformitäten ab, die bei der Versorgung des diabetischen Fußes auftreten. Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, sind die meisten Eigenschaften der orthopädischen Fußbettung evidenzbasiert, bezüglich der Druckentlastung entweder direkt durch Studien an Diabetes-Patienten oder indirekt bei Nicht-Diabetikern. Wenige Aspekte sind nicht evidenzbasiert wie zum Beispiel die Basis der orthopädischen Fußbettung. Die meisten Schuheigenschaften sind konsensbasiert. Nur bei den Sohlenrollen gibt es genügend Evidenz in der Literatur. Unser Algorithmus unterscheidet sich erheblich von den vorhergehenden Schuhgestaltungs-Algorithmen, die hauptsächlich konsensbasiert sind (6, 7) Dies zeigt, dass sich die Schuhgestaltung und die Schuhversorgung weg von einem erfahrungsorientiertem Ansatz hin zu einem eher wissenschaftlichen datengesteuerten Ansatz bewegt. Außerdem sind mehr Studien erforderlich, um vor allem die Schuhgestaltung für Risiko-Diabetiker zu verbessern. Der Druckentlastung-Algorithmus ist ein 10-Schritte Ansatz, um eine verbesserte und kontinuierliche Druckentlastung mit orthopädischem Maßschuhwerk für Hochrisiko-Diabetespatienten zu erreichen, die schon einmal ein plantares Fußulkus hatten. Die Schritte sind evidenz- und wissenschaftsbasiert und datengesteuert. Es werden plantare Druckmessungen im Schuh für die Bewertung der Effektivität der Druckentlastung durch die Schuhe verwendet. Gegebenenfalls werden Anleitungen gegeben für eine Modifizierung der orthopädischen Fußbettung oder des Schuhs, um die Druckentlastung weiter bis zu einem Zielniveau zu verbessern, das in internationalen Richtlinien empfohlen wird und welches auf früheren Studien der Autoren und anderer basiert (12, 15, 41, 42). Dieser Algorithmus erzielt einen wesentlich niedrigeren plantaren Spitzendruck bei Hochrisikopatienten und erfordert weniger Modifizierungen zur Erreichung des Zieldrucks im Vergleich zu anderen Herstellungsmethoden (43). Zusammengefasst kann man sagen, dass die Schuhgestaltungs- und Druckentlastungsalgorithmen die ersten ihrer Art und „state of the art“ sind. Ihr Ziel ist eine einheitlichere Entscheidungsfindung bei der Verschreibung und Herstellung adäquater Schuhe für Hochrisikopatienten. Dies sollte die Qualitätsunterschiede bei der Schuhherstellung reduzieren und das klinische Ergebnis bei der Prävention von diabetischen Fußgeschwüren verbessern.
Anschrift für die Autoren:
Sicco A. Bus
Abteilung für Rehabilitationsmedizin,
Amsterdam Movement Sciences,
Amsterdam UMC, University of Amsterdam, Meibergdreef 9, Amsterdam, Niederlande
E-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Danksagungen Die Autoren bedanken sich für die wertvollen Beiträge der Orthopädieschuhtechniker Arun Ahmadi, Ronald Lever, Corstiaan Noels, Jan Pulles und Carlijn Renee, und der Managerin Esther Mik, alle von Livit Orthopedie in den Niederlanden, eine Firma, die orthopädische Maßschuhe herstellt und anbietet. Das Projekt wurde durch ein Stipendium von Livit Orthopedie finanziert, hauptsächlich zur Übernahme der Gehaltskosten von J.B.Z., die als Doktorandin in dem Projekt mitarbeitete.
Interessenkonflikte Die Autoren stellen keinen Interessenkonflikt fest.
Beiträge von den Autoren Alle Autoren waren bei der Entwicklung der Schuhdesign-Algorithmen beteiligt. S.A.B. entwickelte den Druckentlastungsalgorithmus. S.A.B. hat das Manuskript geschrieben. J.B.Z., T.B.W. und R.D. haben das Manuskript kritisch auf den Inhalt überprüft und schlugen Änderungen vor. Alle Autoren haben das endgültige Manuskript gelesen und genehmigt. Der Verlag bedankt sich bei Prof. Maximilian Spraul und Jürgen Stumpf für die Unterstützung bei der Übersetzung.
Erstveröffentlichung Diabetes Metab Res Rev. 2020;36(S1):e3237