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15. April 2021
Redaktion
"Gesundheitspolitik im OTon"

Aktuelle Baustellen in der Hilfsmittelversorgung

„Miteinander sprechen statt übereinander“ – diesem Motto folgte das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ (WvD) als Vereinigung der Leistungserbringer in der Hilfsmittelversorgung bei seinem zweiten Live-Videotalk. Die Gäste am Samstag, 10. April 2021, waren Carla Meyerhoff-Grienberger, GKV-Spitzenverband, sowie Andreas Brandhorst, Referatsleiter beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG), zuständig unter anderem für Hilfsmittelversorgung.

Foto: alesmunt/Adobe Stock

Die pandemische Lage wirke wie ein Brennglas und habe die Stärken und Schwächen des deutschen Gesundheitssystems schonungslos offengelegt, so die WvD-Bündnispartner im Vorfeld des Live-Videotalks. Knapp 100 Teilnehmer:innen verfolgten die Diskussion, die von zwei Themen dominiert wurde: Der Entschädigung für den pandemiebedingten finanziellen Mehraufwand für persönliche Schutzausrüstung (PSA) sowie der Debatte über die Notwendigkeit, bundesweit gültige Verbands- bzw. Leitverträge zu verhandeln.

Schnell kristallisierte sich heraus, dass die aktuellen Regelungen zur Kostenübernahme von PSA unterschiedlich wahrgenommen werden. Das Bündnis sprach einerseits ein Lob für die zeitnah veröffentlichten Empfehlungen für Verwaltungsvereinfachungen seitens des GKV-Spitzenverbandes aus. Durch diese sei beispielsweise der sonst notwendige persönliche Kontakt bei Verwaltungsakten auf ein Minimum reduziert worden. Andererseits jedoch sei die Hilfsmittelbranche beim unausweichlichen Mehraufwand für PSA-Kosten in der Pandemie im Stich gelassen worden.

Dr. Axel Friehoff, verantwortlich für Vertragsmanagement und Kassenverträge bei der EGROH, wies im Namen des Bündnisses darauf hin, dass daran auch das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) bisher nicht viel verändert habe. Er machte zusätzlich darauf aufmerksam, dass neben den PSA- auch die Frachtkosten erheblich gestiegen seien. Auch hier gebe es dringlichen Gesprächsbedarf bezüglich der Kostenübernahme. Anja Faber-Drygala, Leiterin des Bereichs Recht und Gesundheitspolitik beim WvD-Bündnispartner Sanitätshaus Aktuell, ergänzte als Lösungsvorschlag: Es müsse möglich sein, dass krankenkassenübergreifend eine Pauschale pro Patientenkontakt abgerechnet wird. So könne der Vielfalt der Versorgung Rechnung getragen werden. Außerdem werde eine solche Pauschale auch den „kontaktlosen Versorgungen, die jetzt bereits möglich sind“ gerecht.

Während Meyerhoff-Grienberger die Forderungen des Bündnisses WvD nach einer fairen finanziellen Entlohnung unterstützte, vertrat sie auf der anderen Seite den Standpunkt, dass einheitliche Empfehlungen seitens des GKV-Spitzenverbandes für die hoch individuellen Versorgungen im Hilfsmittelbereich zu kurz greifen würden und daher nicht sinnvoll wären. Zudem verfüge der GKV-Spitzenverband in dieser Sache über keine gesetzliche Legitimation.

Großer Diskussionsbedarf offenbarte sich des Weiteren beim Thema „bundesweite Leitverträge“. Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), betonte stellvertretend für die anderen WvD-Bündnispartner, dass man sich zwischen einem Qualitäts- oder einem Preiswettbewerb entscheiden müsse. Wer sich für einen Qualitätswettbewerb ausspreche und diesen gerecht austragen wolle, müsse für gleichberechtigte Bedingungen sorgen: „Dazu braucht es Verhandlungspartner mit gleich langen Schwertern“, so Reuter. Ziel von Verbands- bzw. Leitverträgen sei es, die enorme Anzahl von Vertragswerken zu vereinfachen. Daraus resultiere letztlich ein Abbau von Bürokratie auf allen Seiten. Die so gewonnene Zeit könne in die Versorgung der Patienten investiert werden.

In diesem Zusammenhang sprachen die Teilnehmer außerdem über die Effektivität der im Jahr 2006 von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eingeführten Vertragsfreiheit. Brandhorst erläuterte, dass damit eine Ausgabenbegrenzung ohne Qualitätsverlust erzielt werden sollte. Dieser Aufgabe habe sich das Gesundheitsministerium parteiunabhängig immer aufs Neue zu stellen. Die Gesprächspartner kamen zu dem Schluss, dass aktuell nicht verlässlich zu beantworten sei, wie effektiv sich die Vertragsfreiheit für die Hilfsmittelversorgung tatsächlich gestalte – und welche Alternative geeigneter wäre.

Zum Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ gehören: BIV-OT, EGROH-Service GmbH, Reha-Service-Ring GmbH, rehaVital Gesundheitsservice GmbH und Sanitätshaus Aktuell AG.
Nächster Live-Videotalk am 5. Mai: Digitaler Wandel
Die Serie Live-Videotalk „Gesundheitspolitik im OTon” wird am 5. Mai 2021 (18 Uhr bis 19 Uhr) fortgesetzt. Das Bündnis „Wir versorgen Deutschland” spricht dann mit der Politik darüber, was der digitale Wandel für die Hilfsmittelversorgung bedeutet. Auf dem Prüfstein steht die Gesundheitspolitik von Bündnis 90/Die Grünen und SPD im Bundestagswahlkampf. Zudem steht das E‑Rezept im Fokus, das 2026 für die Hilfsmittelversorgung verpflichtend umzusetzen ist. Als Gäste werden Maria Klein-Schmeink MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Sprecherin für Gesundheitspolitik, und Martina Stamm-Fibich MdB, Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, die Fragen der Teilnehmer beantworten.

Zur Anmeldung gelangen Sie hier

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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